Träume süß von mir
-Träume auch von dir
Fast hundert Lieder vom Norden:
"Das große Klaus Beyer Beatles-Buch"
Obwohl sich John, Paul, George und Ringo vor über
fünfundzwanzig Jahren getrennt haben und spätestens
mit Marc Chapmans tödlichen Schüssen auf John Lennon
eine Reunion der Beatles unmöglich wurde, lebt ihre Musik
weiter und weiter. Als kleines Indiz sei nur erwähnt,
daß in diesem Jahr wohl keinem Tonträger so
entgegengefiebert wurde, wie den bis dahin
unveröffentlichten BBC-Aufnahmen der Beatles, für die
die aus allen Ländern hergereisten Fans vor den Londoner
Plattenläden sogar campierten, nur um in den Genuß
zu kommen, als erster der Doppel-CD zu lauschen. Und auch die
Wiederveröffenlichungen der roten und blauen Platte der
fab four verkauften sich auf Anhieb so gut, daß
die beiden CDs noch heute in den Top Ten der Verkaufscharts zu
finden sind. Die Beatlemania ist also noch lange nicht
vorbei!
Den Berliner Kerzendreher, Filmemacher, Schauspieler,
Collagisten, Komponisten, Musiker und Übersetzer Klaus
Beyer als fünften Beatle zu bezeichnen, wäre sachlich
falsch, denn diesen Titel hat Billy Preston bereits seit 1969
inne, doch Beyers Anstrengungen zur Popularisierung der Musik
der vier Briten dürften weltweit einmalig sein. Klaus
Beyers gesammter künstlerischer Kosmos schwebt um die
Lieder seiner Lieblingsband, den Beatles. Er hat nicht nur die
Alben "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", "Magical Mystery
Tour", "Yellow Submarine" und "White Album" komplett auf Super
8-Filme gebannt, sondern darüberhinaus an die hundert
Lieder ins Deutsche übersetzt, und also da weitergemacht,
wo die Beatles mit der 1964 erschienenen Single "Komm, gib mir
deine Hand/Sie liebt dich" höchstpersönlich
aufgehört haben.
Wie bei vielen Kreativen gab auch bei Klaus Beyer die Mutter
den entscheidenen künstlerischen Startschuß. Da sie
die englischsprachigen Lieder, die ihr Sohn den ganzen Tag
über sang, nicht verstand, hat er angefangen, diese
für sie in ihre und seine Muttersprache zu
übersetzen. Und um die Songs noch verständlicher zu
machen, hat er sie zusätzlich visualisert und verfilmt.
Die Vorführungen dieser Filme haben in Berlin schon
Kultstatuts erreicht und auch Beyers Gesangsauftritte, wenn er
zur Originalmusik seine Übersetzungen präsentiert,
sind stets ausverkauft. Als ich mir z.B. seine Darbietungen
anläßlich der Buchpremiere des hier besprochenen
Werkes im Berliner Kumpelnest anschauen wollte, quillte der
Laden so über, daß ich nur von der verregneten
Straße aus dem Geschehen folgen konnte.
Der Filmemacher, Literat und Musiker Frank Behnke hat im
erlesenen Martin Schmitz Verlag nun ein Buch herausgegeben,
daß an die hundert Beatles-Übertragungen Beyers
versammelt, nebst vielen Filmausschnitten und herrlichen
Bonmots des Übersetzers wie "Heute ist morgen schon
gestern."
Aber um reine Übersetzungen handelt es sich dabei nicht,
vielmehr um textnahe Interpretationen. Manchmal wirken diese
Übertragungen willkürlich, wie bei der
Übersetzung von "Strawberry fields forever" in
"Erdbeerfeld für immer"; warum Beyer den Singular dem
Plural vorgezogen hat, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Da
Beyer bei seinen Eindeutschungen auf die genaue Metrik achten
muß, erhalten manche Textstellen andersartige
Beiklänge. "Why don't we do it on the road" als "Warum tun
wir's nicht auf dem Weg?" zu übertragen, ist so ein
Beispiel. Das "road" assozierte man mit Öffentlichkeit,
wohingegen im "Weg" etwas Heimliches (Wegesrand) mitschwingt.
Hier hätte Beyer eher das von ihm beliebte Prinzip der
Wortverstümmelung anwenden sollen und den Text als "Warum
tun wir's nicht auf der Straß'?" übertragen
sollen.
Doch die meisten Interpretationen sind wahrlich meisterlich und
beleuchten die Beatles-Texte von einer gänzlich anderen
Seite. Wunderbar an ihnen ist die Eigenschaft, daß man
die Verse spielend leicht zur Originalmelodie mitsingen kann.
Etwa die nicht leichte Übertragung des flotten Liedes
"Lady Madonna": "Lady Madonna, Kinder schrein wie toll,/ doch
es wundert wie es einmal enden soll./ Wer zahlt die Miete, wer
gibt dir das Geld,/ sag doch nicht daß es dir vom Himmel
fällt."
Wenn etwa der Anfang des Liedes "Lucy in the Sky with Diamonds"
nicht wortwörtlich übersetzt wurde, dann liegt es
daran, daß Beyer kongeniale, rhythmisch adäquate
deutsche Verse fand: "Denke dich selbst in 'nem Boot auf dem
Wasser/Der Himmel aus Wachs, die Sonn' Karamel/ Jemand, der
ruft dich, du antwortest langsam/ Ein Mädchen mit Augen so
hell".
Bedauernswert an dem Buch ist einzig das Fehlen der englischen
Originaltexte. Diese sind allerdings komplett in zwei bei dtv
erschienenen Taschenbüchern abgedruckt. In diesen
Büchern stehen zum Schluß grobe
"Übertragungsvorschläge", die auch Klaus Beyer
kannte. Wenn man nun vergleicht, was Beyer aus diesen
unfertigen Übersetzungen mit Hilfe seines
Wörterbuches für neue, sensible Lyriken geschaffen
hat, dann kann man wirklich nur staunen und bewundernd "Yeah!"
schreien. Mit diesem Werk trieb die Beatlemania wohl ihre
schönste Blüte. Und dies fünfundzwanzig Jahre
nach dem letzten Studioalbum der Beatles.
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Frank Behnke (Hrsg.): "Das grosse Klaus Beyer
Beatles-Buch. Der Narr auf den Höhen". Martin Schmitz Verlag,
Kassel, Berlin 1995. 192 Seiten, br., 28,00 DM.
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