daily satt
- daily stahl -VERMISCHTES IM FEBRUAR 2002
Freitag, der 8. Februar 2002
Bühne frei fürs Bützen!Ab elf Uhr elf, aber nur für geladene Gäste. Absperrungen am Alter Markt, Polizei, Ordner, Schlangen von Leuten, die sich die Beine in den Bauch stehen, damit
ihr Karneval offiziell eröffnet wird.
Willmann und ich haben zum Glück die Hitler-Masken dabei und können so problemlos passieren, vorbei an salutierenden Bullen und Narren. Als erstes sieht man die riesigen Übertragungswagen,
deswegen ist jetzt hier geschlossene Gesellschaft, 9000 Leute prahlt die Presse, als ob nicht all die Jahre mehr als 30000 auf den Platz gepasst hätten, als sei nicht stillschweigend und insgeheim wieder ein Stück Volksfreiheit mehr demontiert.
Die Tribünen sind komplett, Eintritt 100 Euro, um Prinz & Bürgermeister beim Schunkeln zuzusehen, jedoch auch hier finden wir Einlass aufgrund der Hitlermasken, drängen uns zwischen die Jecken. Gebützt wird nirgends, wütende Möhnen bampern einem ihr Becken ins Kreuz, schirbeln die Schellen, am liebsten dir direkt ins Ohr. Irgendwann brüllen alle wie blöd, aha, d'r Prinz kütt. Großes Erlebnis. Ein Strahl Sonne tastet sich ängstlich zwischen den blauen Wolken hindurch, das ein oder andere Dekolleté plustert sich freudig, schiebt sich an den ein oder anderen Bullen, Mädels mögen halt Uniformen.
Im Rathaus erschallt ein Hoch die Tassen, genauso wie auf dem Marktplatz, ein Wind mag wehen, ein kalter Hauch, der sich irgendwie insgesamt nicht fügen will ins muntere Geschehen, vielleicht weil in Wirklichkeit nichts wirklich munter ist. Manche Frau hilft mit einer Flasche Pfirsichlikör ab, jeder Mann kippt eh so viel und so lang, wie's geht. Dann gibt der Prinz den Startschuss: Raus mit euch in die Straßen, trinkt und hurt, was ihr könnt. Darob werden nun doch alle richtig froh, es ist Karneval, und das, was immer zu tun, euer gutes Recht wäre, ist jetzt endlich staatlich gewährt.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger, Freitag, 8. Februar
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