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ALTE FRAUEN
Selten geschieht es, daß deutsche Comic-Zeichner und Autoren mit den Beschaffenheiten des Mediums derart kunstvoll umgehen wie diese zwei jungen Künstler, die als Abschlußarbeit ihres Studiums des Kommunikationsdesigns ausgerechnet diesen Comic abgaben.
Um Professoren beizubringen, was das Medium zu leisten in der Lage ist, reicht es natürlich nicht aus, eine interessante Geschichte um eine Verschwörungstheorie zu erzählen, die ein kafkaeskes Thema in das moderne (und treffend wiedergegebene) Berlin verlegt. Hier ist weniger literarische Finesse gefragt, sondern ein gut überlegtes Seitenlayout. Leise visuelle Momente und eine Erkundung des Raumes, die filmisch erscheint und an Mangas erinnert, zeugen davon, daß die jungen Künstler die Möglichkeiten des Mediums Comic auszunutzen und vorzuführen wissen.
Wenn in "Alte Frauen" ein Panel den üblichen Rahmen sprengt und bis an die Seitenbegrenzung heranreicht, so hat dies immer eine narrative oder künstlerische Bedeutung. Die einfachen Bilder, die an Jacques Loustal oder Guy Davis erinnern, sind offenbar in Handarbeit mit verschiedenen Grautönen "koloriert" worden, doch später wurden einige, passend zum Thema, noch am Computer bearbeitet, um die digitale Dimension eines Überwachungsapparates zu illustrieren.
Die einzelnen Bilder sind dabei ebenso bemerkenswert wie das Storytelling, doch das Gesamtergebnis ist noch nicht durchgehend perfekt, manche Vorgänge erschliessen sich erst beim zweiten Lesen. Doch Perfektion und ein nahtloser Lesefluß waren wahrscheinlich auch nicht die Ziele der Künstler, denn es ist durchaus im Dienst der Geschichte, wenn es manchmal kleine Risse in der Comic-Welt gibt, man sich nicht jedes Detail erklären kann, sich die Plakatwände manchmal unmerklich verändern, und dadurch auch der Leser das Gefühl bekommt, er durchschaue die Mechanismen, nach denen diese Umwelt funktioniert, nur teilweise.
Doch die Imperfektion dieses Comics macht seinen Reiz aus. Statt einer oberflächlichen Geschichte verliert sich der Leser in den nur teilweise aufgeklärten Verschwörungen, wie in Filmen wie "The Parallax View" oder "The Conversation". Und wo Pakula und Coppola bei diesen Filmen schon auf dem Höhepunkt ihres Schaffens anerlangt waren, hoffe ich, daß bei Dinter und Pfeffer auch ohne Examensdruck noch Werke folgen werden, die über die beachtlichen Leistungen dieses Erstlings hinausgehen.
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