Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen


 

März 2003
Jörg Digmayer
für satt.org
Ehapa-Logo

Ehapa auf neuen Wegen


Vor langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, saßen in Stuttgart beim Ehapa-Verlag ambitionierte Verlagsmenschen, die den deutschen Comicmarkt aus seinem Dornröschenschlaf wecken wollten.

Als deutsche Lizenznehmer für Disney waren sie kommerziell höchst erfolgreich, und auch die deutschen Ausgaben der Asterix-Reihe verkauften sich seit Mitte der siebziger Jahre immer besser. Einige Zeit verging, und Anfang der achtziger Jahre entschieden die Stuttgarter, dass die Zeit reif sei für anspruchsvolle Unterhaltungscomics für ein erwachseneres Publikum. So holte man klassische frankobelgische Stoffe über den Rhein und druckte die Abenteuer von Leutnant Blueberry und etlichen anderen Recken auch auf deutsch. Mutig wagten sich die Ehapas in neue verlegerische Gefilde, so dass sie bald unter Comicfreunden als ebenbürtige Konkurrenten des altehrwürdigen und erfahrenen Hamburger Carlsen-Verlags galten.

Doch die Verkaufserlöse konnten mit dem Wachsen der thematischen Ansprüche nicht Schritt halten. Als der Albenmarkt Ende der achtziger Jahre zusammenbrach, besann man sich wieder auf die dicksten Milchkühe im Stall und ließ den Rest des Programms peu à peu verschwinden. Während dieser Zeit litt das Verlagsprogramm Qualen - und mit ihm die Leser. Aus dem klassischen Bereich der Comics im europäischen Stil beschränkte sich der Ausstoß von Ehapa zuletzt neben den bewährten Produkte aus dem Hause Disney auf immer weitere Mundartversionen der alten Asterix-Geschichten. Lediglich einige wenige Prestigeprojekte wie Loisels preisgekrönter Peter-Pan-Zyklus wurden weiter getragen. Nachwuchskünstler wie Naomi Fearn ließ man dagegen nach nur einem Debutcomic wieder fallen, als die Verkaufszahlen des Erstlings nicht an die hochgesteckten Erwartungen der Verlagsmanager anknüpfen kontnen. Weitsichtige Programmpflege sieht anders aus.

Die aufbrandende Mangawelle erfasste Ehapa mit einem eigenen Label, EMA, während der Rest des Ausstoßes in der Sparte ATP, für Alben und Teen-Publikationen verräumt wurde. Das stolze Flagschiff Asterix gab man beim letzten Album mit einer verstümmelnden Kalauer-Übersetzung der Lächerlichkeit preis; das kränkelnde Jugendmagazin Yps kaufte man von Gruner+Jahr, nur um es gleich drauf sterben zu lassen. Konfusion war Programm beim Ehapa-Verlag, und der Wahnsinn - schien es - hatte Methode.

Die interessantesten Neuigkeiten von Ehapa durften wir Leser aber ohnehin nicht mehr dem Verlagsprogramm entnehmen, sondern den Presseinformationen des kaufmännischen Managements. Umstrukturierungen und Kurswechsel erlebten wir weit häufiger als neue Serien. Angliederungen folgten auf Umgliederungen folgten auf Ausgliederungen, der gesamte Betrieb zog - wie es hieß, aus Kostengründen - 2001 nach Berlin um, was ein guter Teil der Belegschaft nicht mehr mitmachen wollte. Jetzt, kaum zwei Jahre später, entschließt man sich erneut für einen Tapetenwechsel, diesmal ist Köln das Ziel, und wieder lobt man Synergie- und Kostenvorteile des neuen Standorts über den grünen Klee.

Dazu verkündet Georg Tempel im Interview mit dem Fachmagazin Xoomic, Ehapa habe sich für eine neue Verlags-Strategie entschieden. Neben einem rabiaten Kostensenkungsprogramm strebe man auch inhaltlich zu neuen Ufern. Erwachsener und anspruchsvoller wolle man werden und das Albenprogramm erweitern. So sehr das den Comicleser freut: Irgendwie klingen diese Absichtserklärungen merkwürdig vertraut. Sind wir wieder soweit wie zu Beginn der 1980-er? Und: Wie glaubwürdig wirkt so eine Absichtserklärung aus einem Haus, das in den letzten Jahren alles unternommen hat, um seinen Ruf in der deutschen Comicszene zu ruinieren?

Wie auch immer, es spricht wenig dafür, dass Ehapa diesmal mehr Erfolg haben sollte als bei seinem ersten Anlauf, zumal die Marktbedingungen inzwischen ungleich härter geworden sind. Ein breiter Fächer aus elektronischen und analogen Medien bedient eine Nachfragergruppe, die immer weniger Zeit auf ein einzelnes Unterhaltungsobjekt verwenden will. Darum müssen die Comicverlage hart um die Aufmerksamkeit eines abgelenkten und höchst launischen Publikums kämpfen. Auf der Angebotsseite sind die Lizenzen für die erfolgreichen ausländischen Stoffe entweder unbezahlbar oder bei der großen Konkurrenz oder bei den Küchentischverlegern in engagierten und guten Händen, während die Verkaufszahlen insgesamt hierzulande bestenfalls stagnieren.

Bisher hat Ehapa keine Fortune bei seinen Management-Entscheidungen gezeigt und wohl auch nicht die Renditen aufweisen können, welche die Eigentümer für ihr Investment erwarten dürfen. Aus Verlagssicht wiederum fehlt den Verantwortlichen die Bereitschaft oder das Stehvermögen, die Projekte, von denen man zutiefst überzeugt ist, auch gegen anfängliche Widrigkeiten und vielleicht auch gegen jede ökonomische Vernunft durchzuboxen, was etwa in anderen Gefilden einem Suhrkamp-Verlag oder auch einem Eckart Schott nach langen Durststrecken zu mehr oder weniger bescheidenen Erfolgen verholfen hat. Wer aber weder die Konsequenz und die langfristigen strategischen Konzepte eines guten Unternehmensführers noch das zuverlässige Bauchgefühl und den unbeirrbaren Dickschädel des genialen Verlegers für sich reklamieren kann, der wird auf Dauer scheitern müssen. Und genau das steht Ehapa in Deutschland bevor, sollte nicht ein Wunder geschehen. Aber auf Wunder hoffen deutsche Comicfreunde schon seit Jahren vergebens.