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Dezember 2003
Jörg Digmayer
für satt.org


Ralf König:
Sie dürfen sich jetzt küssen

Rowohlt 2003

Ralf König: Sie dürfen sich jetzt küssen

144 S., Tb, EUR 9,90
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Jetzt wird geheiratet!

"Sie dürfen sich jetzt küssen" - der neue Comic von Ralf König bietet nichts Revolutionäres, aber er gefällt - vor allem grafisch.



Ralf König: Sie dürfen sich jetzt küssenSeit fünfzehn Jahren sind Konrad und Paul nun ein Paar. Wir Leser durften die bewegte Lebens- und Beziehungsgeschichte der beiden bereits in mehreren Comics von Ralf König verfolgen. Nun nimmt der Meister der Kartoffelnasenschwulen also die Homo-Ehe aufs Korn. Konrad, der biedere Schöngeist, macht seinem Paul den Antrag auf Eintragung der Lebenspartnerschaft, schon um die konservativen Familien zu versöhnen. Die aber stehen beide dem Vorhaben höchst skeptisch gegenüber, und Pauls tragische Neigung zu schwarzäugigen Südländern - diesmal in Gestalt eines neunzehnjährigen türkischen Kleindealers - trägt zu weiteren Komplikationen bei.

Ralf König schlingt mit der gewohnten Klasse seine Handlungsfäden aus, dabei braucht er inzwischen weniger echten Slapstick als bei seinen früheren Werken - das Chaos spielt sich vor allem in den Köpfen seiner Protagonisten ab und damit auch in der Vorstellungskraft des Lesers. Vielleicht kommt die Story nicht ganz so kompakt herüber wie bei früheren Büchern, aber als Komödienautor ist König dennoch große Klasse; kein Wunder dass die Filmadaption seines "bewegten Mannes" so ein großer Erfolg wurde.

Schon, es gibt mancherlei zu mäkeln an diesem neuen Buch: König klaut, wenn auch nur bei sich selbst - die Figuren kennen wir jedenfalls alle längst aus dem König-Universum, statt einem spanischen Bauarbeiter ist es halt diesmal ein türkischer Dealer, der Pauls Libido zum Bersten bringt. Nichts Neues an dieser Ecke. Und mit dem Erkan-&-Stefan-Deutsch, das Ralf König hier zum ersten Mal pflegt, hinkt er dem Comedy-Trend auch ein paar Jahre hinterher - das haben wir anderswo schon ein Dutzendmal gelesen. So richtig böse kann man dem Autor aber deswegen nicht werden, schon weil einem seine Protagonisten viel zu sehr ans Herz gewachsen sind. "Schön, mal wieder von euch zu lesen!", denkt man sich lieber und pfeift auf die Schwächen des Buchs. Ralf König: Sie dürfen sich jetzt küssen

Weiterentwickelt hat sich der Autor auf der grafischen Ebene. Sein Strich ist sicher wie nie zuvor, in gekonnter Reduktion streut er seine Dekors ein, collagiert ganz behutsam und unaufdringlich. Das hat Klasse! Die etwas realistischere Umgebungsgestaltung kommt den ausdrucksstarken Karikaturen seiner Personen nur zugute. Und da brilliert er dann richtig: Die bösen Fratzen verbitterter alter Menschen haben es ihm diesmal offenbar am meisten angetan, passend zum Subthema des Alterns, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht - und damit an einem Riesen-Tabuthema in der schwulen Gemeinde rührt.

Eine ganze Armada von Sprechrollen bekommt jede ihren akkuraten Look, mit ein, zwei Strichen fixiert und durchgehalten. Pauls Vater etwa, der pensionierte Schweißer Niemöser, zu beobachten beim Essen der Sonntagsgans, das ist ein Spaß für sich, auf einer halben Seite, und ganz nebenbei zur sonstigen Handlung.

"Sie dürfen sich jetzt küssen" macht ohne Zweifel Spaß und lässt einen herzhaft lachen. Ralf König kann - zumindest als Szenarist - wahrscheinlich noch ein bisschen mehr, aber das darf er uns dann gern beim nächsten Mal zeigen.