In drei Kurzgeschichten stellt Adrian Tomine seinen Lesern echte Loser vor. Die Protagonisten sind nicht hübscher gezeichnet, als nötig. Sie sind nicht lustig. Sie erleben Demut nicht als Charakterveredelung. Und irgendwie fehlt auch das Happy End. Wo aber der Zeichner den Alltag mit solch scharfem Seziermesser in Stücke schneidet, wird "Comic" zur Literatur. Hier sind sich alle Kritiker einig.
Es sind keine spektakulären Dramen, die sich in Tomines Bildern abspielen. Neill ist ein farbloser, junger Schlipsträger, der so auch in jeder anderen Anzeigenabteilung arbeiten könnte. Er macht ganz "normale" Dinge … eine Psychotherapie wegen seiner Depressionen, Pornos gucken wegen Frauenmangel und täglich Postkarten kaufen wegen der hübschen Verkäuferin. Problematisch wird es erst, als er sich belästig fühlt vom regen Sexualleben seines neuen Nachbarn. Der hat alles, was Neill nicht hat, und schleppt die Mädchen reihenweise an dessen Tür vorbei. Sogar die angebetete Vanessa. Es ist klar, dass es zu Neills Ungunsten ausgeht, wenn er sich einmischt …
In "Trip nach Hawaii" bewahr sich Hillary wenigstens einen gewissen Rest-Widerstand. Ihre Einsamkeit wird nur unterbrochen von den Anrufen einer vorwurfsvollen Mutter. Ihr Ex ist zugleich ihr Mitbewohner und lässt sie auch noch auf der gemeinsamen Wohnung sitzen. Zu gern hätte sie wenigstens den Trip nach Hawaii gewonnen … Hillary wehrt sich mit Drohanrufen bei Unbekannten – wohl die seltsamste Art einen neuen Freund kennen zu lernen?
Die dritte Geschichte "Bombendrohung" dekliniert die sexuellen Verwirrungen von Highschool-Kids. Gnadenloses Psycho-Gemetzel unter Teenager! Alex wird als Schwuchtel beschimpft, Scotty verrät seinen besten Kumpel und Cammie hat einen äußerst peinlichen Party-Filmriss, den alle in der Schule mitbekommen haben. Erwachsene Leser solcher Geschichten dürften sich freuen, nicht mehr 16 zu sein.
Doch alle Archetypen aus Tomines Verlierer-Universum sind auch handelnde Personen. Sie sind sich über ihre Außenseiter-Position im Klaren, versuchen sich trotzdem an einer ignoranten Welt zu rächen. Zurück bleiben noch verstörtere Gestalten.
Tomines Bilder beschönigen nichts. Seine klaren Linien lassen die klugen Dialoge wirken. "Trotz der hoffnungslosen Grundstimmung sind die Geschichten von bestechender
Intelligenz", schrieb Nick Hornby in der New York Times Book Review. Der Zeichner (Jahrgang 1974) hat in Berkeley Englische Literatur studiert. Es verwundert also kaum, dass er weniger Wert legt auf eine spektakuläre Inszenierung als auf einen sehr pointierten Text. Kein leichter Job für einen Übersetzer! Hier hat Björn Laser aber in Zusammenarbeit mit dem Redakteur Michael Groenewald eine würdige deutsche Fassung herausgebracht.
Für alle Comicfans, die nicht zurückschrecken vor zynischer und drastischer Erzählkunst, ist "Sommerblond" die beste Empfehlung der Saison. Alle Geschichten Tomines enden in einer seltsamen Schleife, denn sie wirken lange nach.