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September 2005
Thomas Vorwerk
für satt.org


FAZ-Comic Edition

Klassiker der Comic-Literatur
Interview mit Andreas Platthaus
zur 20teiligen FAZ-Comic-Reihe

Thomas Vorwerk: Nachdem insbesondere die „Süddeutsche“ mit Auswahlreihen von Büchern, DVDs und CDs ein großes kulturelles Spektrum abgesteckt hat (und offensichtlich auch eine wirtschaftliche Goldgrube entdeckt hat), kommen nun fast gleichzeitig zwei Comicreihen von zwei überregionalen Tageszeitungen, wie sie kaum verschiedener sein könnten. Andreas, wie erklärst Du Dir das Phänomen, daß die „Bild"-Zeitung und die FAZ sich gleichzeitig für die Proklamation einer Comic-"Bibliothek“ oder gar der Comic-"Literatur“ stark machen?

Andreas Platthaus: Alle Zeitungen haben nach Feldern gesucht, die noch nicht besetzt waren. Wir konnten, nachdem die „Süddeutsche“ schneller war, schlecht Romane oder Musik-CDs machen. Comics lagen bei uns als Thema näher als bei anderen Tageszeitungen, bei „Bild“ wird sicher das Verkaufspotential den Ausschlag gegeben haben. Die Projekte wurden jedenfalls unabhängig voneinander entwickelt.

TV: Wie stark warst Du persönlich bei der Auswahl der 20 Bände der „Klassiker der Comic-Literatur“ involviert, wie bei der Auswahl der jeweiligen Einzelgeschichten?

AP: Die Auswahl der Serien stammt ganz aus der Redaktion. Das meiste wurde von mir vorgeschlagen, aber ich habe mich bei einigen Serien, die ich selbst nicht als vordringlich gesehen hätte, von Patrick Bahners und Dietmar Dath überzeugen lassen.

TV: Bist Du rundum zufrieden mit Eurer Auswahl, oder würdest Du mir beipflichten, daß man für einige Bände wie „Dilbert“ oder „The Simpsons“ würdigere Vertreter hätte finden können? Daß beispielsweise „Krazy Kat“ und „Calvin und Hobbes“ fehlen?

AP: Ich bin rundum zufrieden, weil die Auswahl unter den Möglichkeiten, die wir vorfanden, gut gelungen ist. Natürlich hätte ich gerne „Tim und Struppi“ oder „Maus“ in unserer Serie gesehen, aber einmal hat die Fondation Hergé sich geweigert, im anderen Fall wollte der deutsche Rechteinhaber Rowohlt nicht. Für „Calvin und Hobbes“ bestand keine Chance; Watterson hat noch nie Lizenzrechte vergeben, die sich nicht genau an seine vorgegebenen Formate gehalten hätten, und das konnten wir nicht bieten. Deshalb fehlen auch „Krazy Kat“ oder „Little Nemo". Das wäre in unserem Format nicht gegangen. „Eisenherz“ ist schwierig genug.

TV: Das Format der zwei irgendwie auch konkurrierenden Comic-Reihen ist fast identisch, ebenso wie der Preis. Doch während man bei dem Vorabwerbematerial eurer Reihe klar den Eindruck bekam, es handele sich ebenfalls um Hardbacks, sind es nun doch nur Softcover. Erklärt sich das durch eure geringere, „limitierte“ Auflage? Und liegen Dir da genaue Zahlen vor?

AP: Für den Hardback-Eindruck kann ich nichts, und ich hatte ihn auch nie, aber ich wusste ja auch, daß es Taschenbücher würden. Ich habe sogar konkret zu Taschenbüchern geraten. Das scheint mir comicgemäßer als feste Einbände. Dafür haben wir im Schnitt runde hundert Seiten pro Band mehr als „Bild“ zu bieten.

TV: Wenn man die Titelhelden der 12 Bände der „Bild"-Reihe und eurer 20 Bände vergleicht, findet man einige Übereinstimmungen (Donald, Micky, Lucky Luke), aber auch seltsame Wechselwirkungen. Habt ihr ebenfalls versucht, „Tim und Struppi“ an Land zu ziehen? Und war Franquins „Gaston“ bei euch erste Wahl vor „Spirou und Fantasio"?

AP: "Tim und Struppi“ hatten wir wie gesagt versucht und wohl den Fehler gemacht, direkt in Brüssel zu fragen. „Bild“ ist über Carlsen gegangen und hatte Erfolg. „Gaston“ wollte ich lieber als „Spirou und Fantasio", weil ich es für die bessere Serie halte. Daß „Bild“ sich für die andere Reihe entscheiden hat, war wohl Zufall. Wir hätten sie auch haben können. Und auf „Donald Duck“ zu verzichten, kam natürlich gar nicht in Frage, und „Micky Maus“ und „Lucky Luke“ sind zu vielversprechend, als daß man sie hätte auslassen können. Wir hätten auch „Tim und Struppi“ noch als Zweite gemacht, aber das wurde uns nicht ermöglicht.

TV: Hast Du Dir eigentlich auch schon einen Band der „Bild"-Reihe gekauft, oder wäre es Dir peinlich, wenn ein FAZ-Kollege den bei Dir im Bücherregal sieht?

AP: Selbstverständlich habe ich als Donaldist den „Donald"-Band gekauft. Und da er bei mir zu Hause steht, sieht das keiner. Mehr wird es nicht werden, denn den Rest habe ich entweder schon, oder er interessiert mich nicht.

TV: Während die „Bild“ ihr Niveau mit „Werner", „Phantomias“ und „Fix und Foxi“ teilweise recht weit unten ansetzt, und sich das Vorwort des Bandes zu „Donald Duck“ selbst dadurch disqualifiziert, daß Carl Barks nicht ein einziges Mal erwähnt wird, man aber sein Todesjahr fälschlich unter ein Walt Disney-Foto gesetzt hat, sind bei euch die Vorworte offensichtlich wichtiger und werden ja auch jeweils in der FAZ am Samstag vorveröffentlicht. Werden diese Vorworte auch weiterhin im Wechsel Platthaus/Bahners erscheinen oder gibt es da in Zukunft noch Überraschungen, was die Autoren angeht?

AP: Um einem Missverständnis zuvorzukommen: Die Vorworte sind nicht identisch mit den zweiseitigen Vorankündigungen in der Zeitung. Die schreiben wir jeweils neu, und damit erst gar nicht zu viele Wiederholungen vorkommen, macht jeweils beides derselbe Verfasser, denn der weiß ja noch, was er ein paar Wochen zuvor schon für den Comicband geschrieben hat. Patrick und ich machen jeweils acht Titel, drei wird Dietmar Dath als Autor einleiten, einen ("Spider-Man") Claudius Seidl.

BATMAN YEAR ONETV: Über „Batman“ und „Superman“ habt ihr es geschickt eingefädelt, auch Comickünstler wie Frank Miller, Alan Moore oder David Mazzucchelli in eure Reihe einzubringen. Warum aber diese seltsamen 9/11-Stories? Braucht der durchschnittliche FAZ-Leser diese Einbindung moderner Geschichte?

AP: Wir wollen ein Spektrum vorstellen, das die Entwicklung der einzelnen Figuren deutlich macht, und das ist gerade bei den Superhelden auch dann interessant, wenn es uns Klassizisten nicht auf Anhieb überzeugt. Aber für das Selbstverständnis der Heldenserien ist die Anknüpfung an die Gegenwart wichtig, also müssen wir auch zeigen, daß das heute noch aktuell ist.

TV: Wie erklärt es sich, daß der einzige Band, der nicht nach einer Comic-Figur benannt ist, Will Eisner vorbehalten wurde, während ja beispielsweise der „Fritz the Cat"-Anteil im (nicht so benannten) Robert Crumb-Band auch nicht eben mehr Platz einnehmen wird als die „Spirit"-Geschichten im Eisner-Band?

AP: Bei Crumb gibt es einen großen „Fritz"-Teil, und jeder kennt die Figur. Bei Eisner wollten wir keinen dominanten „Spirit"-Teil machen, weil dazu auch das Format zu heikel gewesen wäre. Jetzt werden wir vier, fünf Geschichten drin haben, die man als Ergänzung gerne lesen wird, darunter die allerletzte Sache, die Eisner gezeichnet hat, eine kleine Parodie auf den „Spirit". Als Hauptstück kommt eine seiner Graphic-novels, und zwar bewußt eine, die seit Jahren in Deutschland nicht mehr zu bekommen war: „Ins Auge des Sturms". Das aber wäre als Titel so seltsam gewesen, daß wir uns entschlossen haben, in diesem einen Fall dem Zeichner die ganze Ehre zu geben. Bei ihm leuchtet mir das auch am meisten ein.

TV: Und was außer den neuen Farbseiten und dem günstigen Preis soll einen „Strizz"-Fan dazu bewegen, sich einen Auswahlband mit Strips zu kaufen, die er allesamt schon in den chronologisch erscheinenden Einzelbänden (und das sind ja im Gegensatz zu den „Peanuts“ und „Hägar“ bisher noch nicht viele) besitzt?

AP: Wir richten uns nicht an F.A.Z.-Leser, sondern an Comicinteressierte allgemein, und da wiederum weniger an Sammler als an Neugierige, die für sehr wenig Geld eine Menge Comic der besten Qualität bekommen wollen. Deshalb hoffen wir, daß „Strizz“ neue Freunde durch unsere Reihe gewinnen wird. Aller Voraussicht nach dürfte sich dieser Band besser verkaufen als die bisherigen drei Jahresbücher von Volker Reiche. Neue Leser kaufen dann vielleicht die bereits erschienenen Bände. So hätten wir alle etwas davon. Und die Leser hoffentlich am meisten.