Thomas "Fats" Waller war ein begnadeter Jazz-Pianist. Seine Melodien waren Hits, die größten und berühmtesten Zeitgenossen in den dreißiger Jahren scharten sich um ihn, und selbst die Koryphäen der klassischen Moderne, wie Igor Strawinsky, bewunderten sein kompositorisches Können und sein virtuoses Klavierspiel. Zugleich aber war Fats Waller ein armes Schwein: Reihenweise nutzten ihn Freunde aus, nie hielt es ihn lang bei einer Familie, Alimentenforderungen häuften sich; um seinen Verpflichtungen bei Ex-Frauen und Buchmachern nachkommen zu können, musste er bis zu sechs Lieder am Tag schreiben und gleich weiterverkaufen. Außerdem war er dem Suff verfallen, was sein frühes Ende mit 39 Jahren hervorrief: Im Vollrausch bemerkte er bei einer winterlichen Zugfahrt von Kalifornien an die Ostküste nicht, dass die Heizung ausgefallen war und erfror so kläglich im Schlaf in seinem Abteil.
Dieses abenteuerliche Leben haben Carlos Sampayo (Szenario) und Igort (Zeichnungen) in Comic-Form gegossen. Igort zeigt sich auf der Höhe seines Könnens. Seine markanten groben Bleistiftzeichnungen, denen er mit Aquarell und Gouache Raum verleiht, sind ebenso unverwechselbar wie beeindruckend. Wie wenig zufällig seine Figuren und Bilder entstehen, zeigt sich zum einen in den Skizzenseiten, die der Avant-Verlag dankenswerterweise als eine Art Nachwort des Zeichners an die eigentliche Geschichte angehängt hat, zum anderen erkennt man sie da, wo Igort Personen der Zeitgeschichte portraitiert, die man kennt, etwa Marlene Dietrich, Albert Einstein oder Joseph Goebbels. Da treffen eine Handvoll Striche und eine Schattierung den Charakter eines Gesichtes im Wesenskern. So wie im Jazz Improvisationen mit festgefügten Themen und langsamte Passagen mit Tempostücken wechseln, changiert auch Igort meisterhaft seine Akkuratesse, arbeitet mal sorgfältiger, mal flotter, mal räumlich, mal flächig und wechselt zwischen detaillierten Art-Déco-Decors und dem schnellen Strich des Handlungsfortlaufs.
Szenarist Sampayo erweitert die Lebensgeschichte von Fats Waller um eine Einbettung in den historischen Kontext der späten dreißiger Jahre in Europa: In Spanien ist Bürgerkrieg, über Deutschland regieren die Nazis, die nach Österreich greifen. So treffen wir in rascher Abfolge Internationale Brigaden auf dem Weg nach Spanien, einen englischen Nazi-Lord, boxende Wiener Juden und einen abstrakten Maler in Paris, der sich für ein Bild einen Anzug schneidern lässt. Dieser Handlungsbogen ist doch arg weit gespannt, und immer wieder fragt man sich, wie die Musik von Fats Waller es schaffen soll, als Bindeglied herzuhalten für diese weit auseinanderstrebenden Handlungsstränge. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich nur auf den Musiker Fats Waller zu konzentrieren, dessen Leben und Wirken genug Stoff hergeben sollte. Andererseits: Man kann ja auch diese vielen Stränge als Jazz ansehen, wo die unterschiedlichsten Motive und Themen in der Improvisation ausprobiert werden. Sie kommen, werden durchgespielt, und gehen wieder. Und solange am Ende alles gut klingt, was soll man groß mäkeln?