Am 21. Mai 2002 erschien die erste „Strizz“-Folge in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In diesen Tagen nun erschien der vierte Sammelband mit den Abenteuern des Comicstriphelden von Volker Reiche. Vergnüglich kann der Leser das Jahr 2005 Revue passieren lassen und darf sich freuen, dass der Band mit 296 Seiten wesentlich besser gefüllt ist, als Strizz’ persönliches „Erfolgsbuch 2005“. Da ist nämlich nur ein lausiger Eintrag vom 3. Januar zu verzeichnen, an dem er seinem Chef eine Pausenverlängerung von fünf Minuten aus den Rippen leiern konnte.
Allerdings schafft es Strizz auch in diesem Band problemlos die Jahresberichte und Materiallisten für Leo & Co auf dem Schreibtisch verstauben zu lassen, um statt dessen kräftig zu politisieren. Wen interessiert schon das Hartlaub-Angebot, wenn es über Papsttum, Schröder, Merkel und den bevorstehenden Wahlkampf zu debattieren gilt? Kampfkater Paul dagegen schreitet selbst zur Tat und führt seinen eigenen Wahlkampf um die Macht in der Friedrichstraße. Doch schon beim Rekrutieren der unwilligen Wahlhelfer Tassilo und Herr Müller wird es schwierig.
Neffe Rafael muss erfahren, dass selbst Philosophen manchmal Kompromisse machen müssen, während Clara felsenfest davon überzeugt ist, dass Angie das nicht nötig haben wird. Naja, das war am 1. Juni 2005! Ein sicheres Gespür für die politische Entwicklung zeigt dagegen Rentner Berres, der sich im Firmenhof in die Erde gräbt.
Sehr zu empfehlen ist der Sommerfortsetzungsroman „Strizz im Wind“. In dieser Episode wird Strizz vom Chef auf Verkaufstour geschickt, um das Presspappesortiment von Leo & Co unter die Leute zu bringen. Nachdem dieses Ansinnen Strizz zunächst in eine „TV-Knabber-Angststarre“ verfallen lässt, nimmt er schließlich die Herausforderung an und die ganze Familie, einschließlich Herr Berres, Lilo und Bernd, kommt mit.
Am 27. April finden wir statt einer Strizz-Episode „Abschied von Erika“. Mit einer sehr persönlichen Seite gedenkt Volker Reiche der nicht nur von ihm sehr geschätzten Übersetzerin Erika Fuchs. Im Vorwort nimmt Patrick Bahners dazu ausführlich Stellung.
Ein Bonbon gibt es noch auf den letzten zwei Seiten des Buches. Hier werden zwei Episoden präsentiert, die Herrn Paul als Kunsthändler zeigen. Sie erschienen erstmals in der Kunstmarkt-Extra-Beilage der FAZ.
Es ist viel darüber geschrieben worden, warum diese Serie so besonders und erfolgreich ist. Vielleicht liegt es daran, wie Volker Reiche mit seinen Figuren umgeht. Mit seinem untrüglichen Gespür für Skurriles und Komisches im Alltag füllt er sie mit Leben, ohne sie aber je der Lächerlichkeit preis zu geben (von Kater Paul mal abgesehen). Wie in einer guten Fernsehserie hat man nach einigen Folgen das Gefühl, alle zu kennen. Sie beginnen seltsam real zu werden, eben wie die ein wenig komischen Nachbarn von nebenan. Man freut sich über den zu erwartenden Nachwuchs von Irmi, hofft, dass Frau Gerhardt endlich ein „bisschen aus sich raus geht“ und würde Herrn Berres und seine Wanderratten gerne mal zum Grießbrei einladen. Und irgendwann, wenn man am 3. Oktober in seiner Nationalfeiertagshose vor dem Fernseher sitzt und Superpferdchen guckt, findet man das alles ganz normal.
Möge Herr Leo vor der Globalisierung und Strizz vor Hartz IV bewahrt werden, damit noch recht lange über sie berichtet werden kann.