Brian Fies:
Mutter hat Krebs
Der autobiographische Comic hat in den USA eine starke Tradition, die sich bis auf Robert Crumb zurückführen lässt. Begnadete Alltagserzähler wie Craig Thompson („Blankets“), Art Spiegelman und einige Dutzend mehr brachten das Medium Comic in den letzten Jahrzehnten mit ihren persönlichen Bestandsaufnahmen zu unglaublichen Höhen. Oft steht dabei nicht das irgendwie Besondere im Blickfeld, sondern das völlig Normale. Die persönliche Perspektive macht den Unterschied. So auch bei Brian Fies, dessen „Mutter hat Krebs“ eigentlich nicht als Buch geplant war.
In winzigen Kapiteln veröffentlichte Fies die Geschichte von der Krebserkrankung seiner Mutter und wie die Familie damit umgeht damals auf seiner Seite im Internet. Nicht hinterher erzählt, sondern quasi live zeichnete er sich die Ereignisse der Tage von der Seele. Sein klarer, reduzierter Strich und das kleine Format der Comicstrips ließen etwas witziges vermuten. Dabei ist es alles andere als das. Ungeschönt zeigte Fies nicht nur den Krankheitsverlauf, sondern auch, wie sich das langsame Erkranken und Genesen der Mutter auf die Familie auswirkt. Es ist von fast selbstzerstörerischer Ehrlichkeit, wenn Fies die Streits der Geschwister dokumentiert oder die Angst, sich wirklich mit dem, was gerade geschieht, emotional auseinandersetzen zu müssen. Mal melancholisch, mal depressiv, mal voll galligem Humor schildert der Autor und Zeichner ganz normale Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen, die vor einer der größtmöglichen Katastrophen im Leben stehen. Die Echtheit des Erzählten ist seine Stärke. Fies verzichtet auf falschen Pathos oder eine übergreifende Dramaturgie mit Moral am Schluss. Tagebücher haben keine Moral.
Ohne Werbung zu machen, entwickelte sich diese Art offener Selbsttherapie zu einem Netzbestseller. „Mutter hat Krebs“ sammelt diese Strips in unveränderter Form und Originalreihenfolge. Es ist ein extrem emotionales, mitunter schmerzhaftes Buch, so ehrlich und direkt, wie es nur das Medium Comic in seinen besten Momenten sein kann. Dafür erhielt „Mutter hat Krebs“ in den USA den renommierten Eisner-Award, den Oscar der Comickultur.