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November 2006
Stefan Pannor
für satt.org


Elzie Crisler Segar: Popeye
MareBuchverlag 2006

Elzie Crisler Segar: Popeye

440 S., € 29,90
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E. C. Segar: Popeye

Auf eine Überraschung solle man sich gefasst machen, meint Art Spiegelman im Vorwort dieses Bandes, und damit hat er gar nicht mal so unrecht. Popeye, das ist eigentlich ein Klischee, das sind ein paar Büchsen Spinat und ein paar schlecht animierte Prügeleien des pfeifetragenden Matrosen mit einem schwarzbärtigen Raubein um die stelzbeinige Olivia. Mit Ausnahme der allerfrühesten Cartoons aus den legendären Fleischer-Studios (die hierzulande lediglich auf Arte liefen) weit unter jedem inhaltlich akzeptablen Niveau, und deshalb zurecht bereits seit Jahren fast völlig aus dem TV-Programm verschwunden.

Aber mit diesem Klischee hat Popeye nichts zu tun. Okay, der Name ist gleich und die Figuren ähneln sich. Aber mit Elzie Segars wellenschlagender Abenteuerkomödie aus den 30er Jahren hat es inhaltlich eigentlich nichts gemeinsam.

Popeye, das war zuerst nur eine Nebenfigur in Segars täglicher Comicstrip-Serie „Timble Theater“ - die merkwürdigen Abenteuer der Familie Oyl. Wieder einmal ging es um einen Schatz, und gebraucht wurde ein Matrose, um die Öls ans Ziel ihrer Wünsche zu schippern. Gefunden am Kai wurde Popeye, grossmäulig, selbstbewusst, von trockenem Humor und ruppiger Art. Kurz, ein Leserliebling, der dann auch auf Wunsch der Leser nach Abschluss des Abenteuers in der Serie zu verbleiben hatte.

Segar gab daraufhin seinem Affen Zucker. Aus dem Familien-Abenteuer-Strip „Timble Theater“ wurde ein Kompendium des Obskuren, voller bizarrer Randeinfälle und noch bizarrer immer wiederkehrender Nebenfiguren. Mit dem klassischen Hau-drauf-Humor vieler Comicstrips hatte das nichts mehr zu tun, was Segar in den knapp 10 Jahren vor seinem viel zu frühen Tod 1938 schuf. Mitunter seitenweise ohne ersichtliche Pointe strickt eine Welt, in der das Absurde Gesetz ist und schwarzer Humor der einzige Weg, unbeschadet überall durchzukommen.

In Deutschland wurden diese Comics bisher noch kaum gewürdigt. Veröffentlicht wurden hierzulande vor allem Strips von Segars Nachfolger Bud Sagendorff, der die Serie langsam, aber konsequent in den inhaltlichen Ruin trieb. (Eine Tradition, die auch Sagendorffs Nachfolger beibehielten.)

Was der Mare-Buchverlag hier also wagt, ist nichts weniger als Pionierarbeit und ein Anschwimmen gegen den Strom. Wie nicht anders zu erwarten war, erledigt der Verlag diesen schweren Job auf exzellente Weise. Abgedruckt werden einige ausgewählte lange Geschichten, die sich – typisch für Mare – um das Meer drehen. „Popeye“ ist ein voluminöser Prachtband, dem man in Gestaltung, Übersetzung (auch wenn Popeyes typisches Knautsch-Kauderwelch mitunter zu sehr „wernert“), Lettering und Druckqualität die Liebe zum Objekt anmerkt. Sollte es jemals weitere „Popeye“-Editionen in deutscher Sprache geben (was wünschenswert ist), werden sie sich an dieser Ausgabe zu messen haben.