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November 2006
Stefan Pannor
für satt.org


Joan Sfar:
Pascin

Avant-Verlag 2006

Joan Sfar: Pascin

188 S., € 19,95
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Joan Sfar: Pascin

Der Maler Jules Pascin war das wandelnde Aushängeschild der Pariser Kunstszene der 20er Jahre, ein enfant terrible in allen Gassen, berühmt für seine ausschweifenden Parties in den Lokalen des Montmartre. Hemingway hat ihn literarisch verewigt, und bei seinem Freitod lag halb Paris in Trauer.

Flitter

(Abbildung aus dem besprochenen Band.)

Man sollte allerdings aufpassen bei der Lektüre von „Pascin“ von Joan Sfar. Sfar, der zu den wichtigsten Erneuerern, vor allem aber zu den gewaltigsten Erzählern des modernen französischen Comics gezählt werden kann, orientiert sich eher vage am realen Leben Pascins. Sicher, da ist die Melone auf dem Kopf des Malers, markantes Zeichen der Erscheinung dieses Künstlers auch in der Realität. Da ist seine geliebte Lucy, da sind Malerkollegen wie Chagall, die in diesem Comic ihren Auftritt haben – auch sie sind real.

Der Rest dagegen? Nun, Sfar will Geschichten erzählen, und das tut er. Ohne Rücksicht auf Realität hetzt er seinen Pascin durch die Gassen und Betten des Montmartre, lässt ihn trinken, philosophieren, vögeln. Da ist es bald egal, ob das Erzählte echt ist (das Meiste davon ist es in dieser Form nicht). „Pascin“ ist eine Geschichte über Lebensfreude, unterteilt in viele einzelne Episoden, erzählt von urwüchsiger Erzählkraft. Sfar schert sich wenig um Konventionen. Seinen Bildern (die sich hier vage an Pascins Stil orientieren) sieht man an, dass sie schnell entstanden sind, die Geschichten werden mitunter aufgebrochen durch direkte Kommentare des Zeichners.

Und neben dem derart entstehenden Erzähltempo steckt auch noch so viel Witz, so viel wuchtige Freude und positive Weltsicht in ihnen, dass es eigentlich egal ist, wer dieser Pascin in Wirklichkeit war oder nicht war. Letztlich ist sowieso jede Geschichte erstmal genau das – eine Geschichte. Wie vielleicht kein anderer europäischer Comicschaffender derzeit hat Sfar einen direkten, unverkrampften Zugang zum Geschichtenerzählen, der praktisch jede seiner (unzähligen) Veröffentlichungen zu einem Höhepunkt moderner Comickultur macht. Dass der Avant-Verlag sich mit Veröffentlichungen wie dieser (und inzwischen diversen weiteren Sfar-Comics) sich um das Werk dieses Ausnahmeerzählers bemüht, kann gar nicht hoch genug gelobt werden.