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Januar 2007
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Stefan Pannor
für satt.org |
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Andreas Michalke:
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Andreas Michalke: Bigbeatland Reprodukt 2006 100 S. Hardcover im Querformat; 15,00 € » Leseprobe » amazon |
Nahezu unbeachtet geblieben sind aber alle andren Genres des täglichen Zeitungsstrips wie Abenteuer, Gesellschaftssatire oder politische Strips. Erst der überraschende Erfolg von Volker Reiches täglichem „Strizz“-Strip in der FAZ ab 2002 scheint diesen Bereich ein wenig aufgeweicht zu haben. „Strizz“ verband für deutsche Verhältnisse ungewohnt exakt und clever Politik und deutschen Alltag mit sympathischer, vielschichtiger Personenzeichnung.
Aber es lag wohl in der Luft. Denn fast zeitgleich zu „Strizz“ startete ein zweiter, weit weniger beachteter politischer Comicstrip. „Bigbeatland“ von Andreas Michalke ist zwar nur wöchentlich und erscheint in der kleinauflagigen linken Wochenzeitung 'Jungle World'. Dennoch weist er, mit einigen Abstrichen, deutliche Ähnlichkeiten zu „Strizz“ auf. Und verdient darum zu Recht genau die Buchveröffentlichung, wie sie bei Reprodukt jüngst erschien.
Auch Michalkes Figuren bewegen sich in einem stark politischen Umfeld. Nicht das bürgerliche Umfeld wie bei „Strizz“, sondern die zersplitterte, eigensinnige linke Szene zwischen Punk und Antifa bilden das Millieu. Tages- bzw. Wochenanktuelle Ereignisse werden hier entsprechend stark reflektiert. Deutschland zwischen Irakeinsatz und Merkelwahl sind Thema und Umfeld der Kurzgeschichten.
Das alles bindet Michalke ein in ein sich stetig erweiterndes Figurenensemble, deren charakterliche Tiefen er ganz allmählich erforscht. So wird aus der oberflächlichen Plappertasche Sandra ein mitfühlendes, politisch offenes Wesen und aus dem faschistoiden Altlinken Markus ein Zweifler und Nachdenker. Auch Michalke merkt scheinbar , wie stark ein Strip von seinen Figuren getragen wird – und nutzt dieses Prinzip zunehmend stärker aus, je weiter die Serie voranschreitet. Je mehr Tiefe sämtliche Figuren bekommen, desto klarer und kräftiger ist auch die Darstellung der politischen und sozialen Verhältnisse.
Darum kommt die Veröffentlichung in Buchform der Serie auch so entgegen. Was in wöchentlichen Kleinportionen oft abgehackt, ja, sinnlos wirkt, erweist sich in gesammelter Form als flüssig voran erzählt und vielschichtig. Das ist die Stärke von „Bigbeatland“. Keine tiefschürfenden, aber prägnanten politischen Analysen – die liefert „Strizz“ in der Tat viel eleganter. Aber ein ausgesprochen sympathischer, (im Wortsinne) charaktervoller politischer Comicstrip. Nicht nur wegen seiner Seltenheit lesenswert.
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