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Februar 2007
Stefan Pannor
für satt.org

Frederik Peeters: Blaue Pillen

Das Problem ist der Bauchnabel. Autobiographische Erzählungen sind nicht deshalb so schwer zu handhaben, weil die Vorlage schlecht wäre – neben vielen uninteressanten schreibt das Leben auch nach wie vor einige der besten Geschichten. Nur leben gute Geschichten auch immer davon, dass sie mit Distanz wahrgenommen, dass sie reflektiert wiedergegeben werden.


Frederik Peeters: Blaue Pillen
Reprodukt 2006

Frederik Peeters: Blaue Pillen

200 S., s/w, € 20,00
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Viele, vor allem deutsche, autobiografische Comickünstler suchen die Distanz in der Selbstironie und im Scherz. Bei einem Thema wie dem von Peeters „Blaue Pillen“ verbietet sich das weitgehend. Es geht um AIDS, genauer um HIV, ganz genau um das Zusammenleben mit einer HIV-infizierten Partnerin und deren ebenfalls erkranktem Sohn. Ein schwieriges Thema, und ein mutiges. Die Zahl der relevanten Comics über AIDS lässt sich immer noch an einer Hand abzählen.

Peeters sucht den strikt autobiographischen Ansatz. Wie er seine infizierte Freundin Cati kennengelernt hat, was er vor der Zeit mit ihr erlebt hat, wie er sie wahrnahm, bevor er von ihrer Infizierung wusste. Aber eben auch, wie seine Zeit mit ihr ist, wie sich das Familien- und Sexualleben gestaltet, wie sich die Perspektiven auf oft einfachste Dinge wie etwa kleine Schnittwunden ändern. Welche Bedeutung die Zukunft und der Tod haben. In kurzen und langen Episoden fasst Peeters diese Erlebnisse und Beobachtungen zusammen.

Darin zerfällt das Buch fast in zwei Teile. Die Zeit vor Cati, die Zeit des ersten Einandernäherkommens, ist eine ganz furchtbare Nabelschau des Künstlers. Zum Glück stellen diese Seiten den kleineren Teil des umfangreichen Comicromans. Peeters ist kein guter Selbstbeobachter. Seine eigene Vergangenheit scheint dröge, letztlich auch kaum relevant für das Buch.

Erst als sich die Perspektive mehr und mehr hin zu Cati und ihrem Sohn verschiebt, bekommt das Buch einen Erzählfluß und emotionalen Tiefgang. Wie der Leser selbst steht Peeters dann staunend vor medizinischen Erkenntnissen oder vor der Frage, welche Rolle Sex in so einer Beziehung spielt. In diesen Kapiteln ist „Blaue Pillen“ ein ganz erstaunliches, aufklärendes, vor allem aber hinreissend erzähltes Buch.

Peeters vermeidet Zeigefingergestus, vor allem aber vermeidet er allzugroße Dramatik. In „Blaue Pillen“ geht es um das Leben mit HIV, nicht um das Sterben damit. Darum finden sich auch durchaus romantische und komische Sequenzen im Buch. Aber ebenso natürlich albtraumhafte, verstörende. Peeters als Beobachter der Menschen, die ihm nahe sind, ist ein hervorragender Erzähler, der das Wechselbad der Gefühle beherrscht. Kein Bauchnabel mehr.

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