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März 2007
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Stefan Pannor
für satt.org |
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Morvan, Munuera:
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Morvan, Munuera: Spirou & Fantasio 47: Spirou in Tokio Carlsen Comics 72 S., Sc, 9,00 € » amazon Achdé, Gerra: Lucky Luke 80: Die Daltons in der Schlinge Ehapa Comic Collection 48 S., Hc, 10,00 € » amazon |
Vom einstigen Flaggschiff hat sich „Spirou“ inzwischen zum Sorgenkind der frankobelgischen Comicszene entwickelt. Der 1938 kreierte Comic wurde nach dem zweiten Weltkrieg durch die bahnbrechende Arbeit Franquins zu einer der erfolgreichsten und wichtigsten Comicserien aller Zeiten.
Nach Franquin übernahmen unterschiedliche Künstler mit ebenso unterschiedlichem Erfolg die Serie. Spätestens seit dem Weggang des Kreativduos Tomé & Janry vor einigen Jahren aber scheint die Luft raus. Händeringend suchte der Verlag nach Künstlern, die einen Mittelweg zwischen dringend nötiger Modernisierung und Bewahrung des klassischen Erzählgestus bewältigen konnten. Mit Morvan und Munuera meinte man solche Künstler gefunden zu haben. Die Leser sahen das anders: mit jeder neuen Episode dieser Künstler sanken die Verkaufszahlen rapide. Letztlich zog der Verlag die Notbremse. Nach nur drei Alben, mitten in den Vorbereitungen für das vierte, wurde Morvan & Munuera jüngst die Lizenz zum Spirou-Zeichnen entzogen.
Und schaut man sich „Spirou in Tokio“, das dritte und letzte vollendete Album der beiden, an, dann ist das nur allzu verständlich. Denn obwohl die Handlung von einem Punkt zum nächsten hetzt, Lokalkolorit und wohlrecherchierte Ortskenntnisse punktgerecht eingebaut wurden, und die Geschichte um Tokioter Vergnügungsparks, Mutanten und vertriebene Obdachlose durchaus spannend ist, vermag der Band kaum wirklich zu begeistern.
Nicht nur, weil die Geschichte ziemlich genau bei „Das Wunder von Mailand“, De Sicas Filmklassiker von 1951, abgekupfert ist. So glatt und routiniert runtererzählt wie in diesem Album wirkt alles kalt, nüchtern, auf den Effekt konstruiert. Es fehlen emotionaler Tiefgang und die kleinen Widerhaken in der Geschichte, die aus einem Action-Reisser ein richtiges Abenteuer machen. Auch die unzähligen Verweise auf Mangas und Klischees über Japan können dem ganzen keine Seele einhauchen. Ein Problem, mit dem schon das „Spirou“-Abenteuer „Flut über Paris“ zu kämpfen hatte. Die editorische Notbremse, muss man leider sagen, hat der Verlag in diesem Fall völlig zu Recht gezogen.
Ganz anders dagegen der neue „Lucky Luke“-Band vom Team Achdé & Gerra. Das Team hatte nach dem Tod von Luke-Schöpfer Morris dessen Serie übernommen. An „Die Daltons in der Schlinge“ lässt sich sehen, wie hervorragend die zwei Künstler nach ihrem eher durchwachsenen Vorgängeralbum in die Serie hineingewachsen sind.
Zwar ist die Handlung durchaus nicht überraschend. Um der Todesstrafe zu entgehen, müssen die notorischen Dalton-Brüder schnellstens heiraten. Einmal verheiratet, sehnen sich zumindest drei der vier schnell wieder zurück in das gute alte Gefängnis – ein Paradies gegen die Ehehölle auf Erden. Allerdings wartet dort der Strick auf sie. Weshalb die Daltons eine nahezu unglaubliche kriminelle Energie aufbringen müssen, um beiden Unheilen zugleich entgehen zu können.
Was zunächst konservativ und altbacken klingt, erweist sich bei der Lektüre als Musterbeispiel für Timing und klassisches Erzählen. Achdé & Gerra bringen gekonnt die alten Stärken der Serie ins Spiel: den Zitatenreichtum, die kulturellen Querverweise (diesmal u.a. mit Gastauftritten von John Wayne und Kirk Douglas) und die geschickt eingebauten Running Gags. Dabei stört es dann auch nicht, dass „Die Daltons in der Schlinge“ wirklich mehr ein Dalton-Abenteuer ist, der Cowboy Luke dagegen auf weniger als der Hälfte der Seiten erscheint. Achdé & Gerra haben offensichtlich ebensoviel diebische Freude am Vorwärtstreiben des Plots wie die Daltons beim Entwickeln ihrer verbrecherischen Pläne in diesem Album.
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