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Mai 2007
Stefan Pannor
für satt.org

Auf den Spuren von Hergé:
2 sekundärliterarische Werke
zum 100. Geburtstag


Michael Farr:
Auf den Spuren
von Tim & Struppi

Carlsen Comics

Michael Farr: Auf den Spuren von Tim & Struppi

204 S., Großformat, € 35,00
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Volker Hamann (Hrsg.):
Hergé – Eine illustrierte
Bibliografie

Edition Alfons

Volker Hamann (Hrsg.): Hergé – Eine illustrierte Bibliografie

92 S., Sc, farbig, € 18.00
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Es gibt einen Ort hochkomprimierter Zeitgeschichte in Europa, der bislang kaum historische Anerkennung gefunden hat – das Archiv des Comiczeichners Hergé. Mit bürgerlichem Namen Georges Remi, geboren am 22. Mai 1907 bei Brüssel. Dieses Archiv bildete ab 1929 bis zum Tod des Künstlers 1983 das Rückgrat für die Produktion der Comicserie „Tim & Struppi“. „Tintin & Milou“, wie die Serie im Original heisst, ist der Ursprung aller europäischen Comicproduktionen, mit weltweit über 150 Millionen verkauften Exemplaren. Hergé ist der Vater des europäischen Comics.

Anfang der 90er Jahre durfte der britische Journalist und „Tintinologe“ Michael Farr Hergés Archiv besuchen und dessen Datenbestände sichten. Ergebnis war nach mehrjähriger Arbeit das Buch „Auf den Spuren von Tim & Struppi“, in dem er detailiert Hergés Quellen für seine Comics anhand konkreter Bildvergleiche mit Archivmaterial offenlegt.

Der Band ist klar strukturiert, zu jedem „Tim & Struppi“-Abenteuer existiert ein eigenes Kapitel. Farr listet nicht nur Quellen auf, sondern ordnet den Band vor den zeitgeschichtlichen Hintergund und den des Künstlers Hergé ein, ehe er mit unzähligem Bildmaterial und Erläuterungen auftrumpft. Gezeigt und erläutert werden jeweils Original und Hergé-Version von Orten, Häusern, Maschinen, Ereignissen.

Beim Anblick dieser Bilder wirkt Hergés Detailwut um so bewundernswerter: nahezu jedes seiner Panels hat eine Entsprechung in der Realität, entstammt einer Vorlage aus Hergés gigantischem Bildarchiv. Berücksichtigt bei den Fallbeispielen werden auch die unterschiedlichen Versionen einzelner Alben, deren Detailunterschiede Farr vorführt.

Leider nicht berücksichtigt werden Hergés übrige Comicarbeiten, die nicht einmal Erwähnung im Band finden – auch nicht da, wo es Überschneidungen zu „Tim & Struppi“ gibt. Auch lässt der teilweise sehr unkritische Umgang mit der Vorlage vermuten, dass Farr seine Seele verkauft hat für den Zugang zum Archiv und das Verfassen dieses Buches.

Die Fondation Hergé, geleitet von Hergés letzter Ehefrau, führt heute ein rigides Regime über sämtliche Hinterlassenschaften des Künstlers. Dazu gehören auch Entscheidungen über die Verwendung von Bildmaterial, sofern es von Hergé stammt. Bereits mehreren kritischen Journalisten wurden Abbildungsrechte verweigert.

So liegt die Vermutung nahe, dass auch Farr, der Hergés Werk und Vorgehensweise fast durchgängig lobt, hier ein Stillhalteabkommen mit der Fondation geschlossen hat. Dennoch bleibt „Auf den Spuren von Tim & Struppi“ ein unglaublich reichhaltiger Quellenband und eine ideale Ergänzung zu den Comics.

Als kleinerer Ergänzungsband kann dann auch die bei der Edition Alfons erschienene Sammlung „Hergé - Eine illustrierte Bibliographie“ gelten. Hier gibt es zwar wenig zu lesen – lediglich ein eher kurzer Essay über Leben und die Verbreitung von Hergés Werk leitet den Band ein. Dafür aber mehr zu schauen. Neben einer wahrscheinlich wirklich kompletten detailierten Bibliografie sämtlicher Veröffentlichungen irgendeines von Hergés Werken in Deutschland (von den frühen Magazinabdrucken bis zur jüngsten Gesamtausgabe) enthält der Band auch Unmengen Bildzitate, die Einblick in sämtliche Schaffensphasen des Künstlers bieten.