Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen





Juni 2007
Stefan Pannor
für satt.org

Dupuy & Berberian:
Monsieur Jean: Bestandsaufnahmen

Doch ein wenig überrascht kann man konstatieren, dass der Berliner Independent-Verlag Reprodukt nach nur wenigen Jahren konsequenter Aufbauarbeit nicht nur eine der besten Indie-Backlists des Landes hat, sondern auch die vielleicht beste Schiene frankobelgischer Alben, die derzeit angeboten werden.


Philippe Dupuy,
Charles Berberian:
Monsieur Jean Band 6:
Bestandsaufnahmen

Reprodukt, 2007

Dupuy & Berberian: Monsieur Jean: Bestandsaufnahmen

56 S. HC in Farbe; € 15,00
   » amazon

Neben den Werken von Trondheim, Blain, Sfar, Larcenet, dem Megaprojekt „Donjon“, den Werken Killoffers und Delisles, steht dennoch die Langzeitserie „Monsieur Jean“ des Künstler-Duos Dupuy & Berberian als etwas ganz Besonderes da. Eine Lebensgeschichte aus dem Pariser Alltag, die so konsequent voranschreitet wie die Vita der Schöpfer der Serie. Und auch wenn die Serie ursprünglich beim Kleinverlag Salleck Publications gestartet ist, so fügt sie sich doch viel besser ins Reprodukt-Portfolio, der die Alben zudem mit der bei diesem Verlag obligatorischen Sorgfalt ins Deutsche überträgt.

Sechs Alben und ein Sonderband liegen aktuell vor, die deutsche Veröffentlichung des siebten Bandes steht noch aus. „Bestandsaufnahme“ heisst die Nummer sechs. Jean, inzwischen über dreissig und daran gewöhnt, als Schriftsteller immer noch eher leidlich erfolgreich, hat sich endlich dazu entschlossen, mit seiner Freundin zusammenzuziehen. Seine alte Wohnung und sein Bett vermacht er seinem Kumpel Felix. Die Odyssee jenes geliebten-ungeliebten Bettes durch diverse Besitzerhände wird zu einem der Kristallisationspunkte der Ereignisse in diesem Album. Der andere ist ein alter Karton, die letzten Hinterlassenschaften des Vormieters von Jeans neuer Wohnung.

Dupuy & Berberian erzählen von einer Welt aus Romantik und Möbelhaushölle, sozialem Aufstieg, Abstieg und Fall, Bindungs- wie Verlassensangst. Exemplarisch zirkeln ihre Figuren – Künstler, Bohemiens, Yuppies und Penner – ihre persönlichen Kreise von Himmel und Hölle ab, die sich immer wieder berühren und durchdringen. Und messen dabei ihren Lebenswert anhand von Alltäglichkeiten wie einem Bett und einem nachgelassenen Weinkorken.

Das ist dabei wie aus den vorherigen Alben gewohnt in keiner Weise schwer. Mit wunderbarer Larmoyanz und festem, klaren Strich wird hier Mittelschichtsalltag geschildert. Am Ende steht, wie in nahezu allen Alben der Serie, ein Blick Jeans auf Paris, das künstlerische Pendant zum Festbankett bei Asterix. Diesmal mit Frau und Kind im Arm. Die im Titel angesprochene Bestandsaufnahme war erfolgreich.



» Leseprobe bei REPRODUKT