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Oktober 2007
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Stefan Pannor
für satt.org |
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So richtig Beachtung fanden die „Boys“ in den Staaten erst, als es zum Eklat kam: Mitte des Jahres schmiss das DC-Sublabel Wildstorm die Serie ohne Vorankündigung aus dem Programm. Das Ende war abrupt, selbst schon angekündigte Ausgaben wurden gecancelt. Die Begründung: zu viel Gewalt, zu viel sinnlose Gewalt vor allem. Wobei - was erwartet ein Verlag eigentlich, wenn er Garth Ennis über Superhelden schreiben lässt? Schon in „Die Schlampe“ hatte er eine Hure zur Heldin mit Superoralkräften gemacht, in „Hitman“ hatten die Helden regelmässig eins draufbekommen, und auch in seinem „Punisher“-Run liess er Spider-Man und Wolverine regelmässig schlecht dastehen. Sympathie für die Strahlemänner lässt sich da bei weitem nicht erkennen. In „Die Boys“ hatte Ennis zusammen mit Darick Robertson („Transmetropolitan“) nochmal richtig aufgedreht. Gleich im ersten Heft gab es blutige Kollateralschäden durch Superhelden, gab es sexgeile Hunde und nymphomane Beamte. Ennis, nie um einen schlechten Scherz verlegen, sofern Blut oder Sperma darrin vorkommen, drehte in den Folgeheften noch weiter auf. Die Boys sind eine Truppe Superheldengeschädigter - sie greifen ein, wenn die Helden zu weit gehen oder Mist bauen. (Oder anders gesagt: Sie bewachen die Wächter.) Und Mist bauen die Helden in dieser Serie zur Genüge. Publicity- und drogensüchtig, moralisch verkommen, portraitiert Ennis seine Superhelden. Das ist nicht neu. Schon Grant Morrison hatte vor knapp zehn Jahren mit „Erde 2“ ein Superhelden-Portrait abgeliefert, das dem von Ennis verblüffend ähnelt. Aber es wäre vermessen, von irgendeiner Serie zu erwarten, dass sie das Rad neu erfindet. Ennis als Autor scheitert dann auch weniger am Konzept, als einmal mehr an sich selbst. „The Boys“ ist blutig, rasant, geschmacklos. Aber es ist leider auch blutleer. Seine Charaktere kommen von der Stange, seine Witze sind eher flau. Schon seit einigen Jahren schreibt der einst gefeierte Autor auf Autopilot, und nur mit einem Minimum an Ideen. Einzig die Zeichnungen von Robertson (der, wenn es das denn tatsächlich gibt, so etwas wie einen „sarkastischen Strich kreiert hat), machen hier noch Spass und heben durch ihre Individualität und Treffsicherheit das Lesevergnügen. Wie gut Ennis einmal tatsächlich war, lässt sich an „Preacher“ ablesen. Eine Serie, die bei ihrem ersten erscheinen tatsächlich direkt aus der Hölle zu kommen schien - und selbst jetzt, fast zehn Jahre später, noch begeistert. Ennis schickt seinen Helden, einen gescheiterten Priester, auf eine aberwitzige Tour um die halbe Welt. Auf der Suche nach Gott, der seine Schöpfung im Stich gelassen hat. Das ist nicht nur brillanter Größenwahn, sondern besticht auch durch eine Vielzahl grossartig geschriebener Charaktere. Was Ennis hier in einen Satz - oder Dillon in einen Gesichtsausdruck - für emotionale Tiefenschärfe liegt, findet sich in den gesamten ersten sechs Kapiteln der „Boys“ nicht. „Preacher“ erscheint derzeit als wunderbare deutsche Gesamtausgabe: die Hardcover sind durchaus preiswert und enthalten neben den Comics auch jede Menge Extras. Einer der ganz wenigen Klassiker der US-Comics der 90er Jahre, der um so mehr aus diesem dürren Jahrzehnt herausragt. Erst recht, wenn man dieses Meisterwerk neben die „Boys“ stellt, fällt auf, wie flau und fad Ennis' Comicschaffen inzwischen geworden ist. Dennoch werden wohl auch die „Boys“ ihr Publikum finden. Für Nachschub ist gesorgt. In den USA fand die Serie nach ihrem spektakulären Rausschmiss ein heim beim Kleinverlag IDW. Und die Publicity tat den Verkaufszahlen nur gut. Garth Ennis, Darick Robertson: The Boys Bd.1: Spielverderber |
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