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Oktober 2007
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Felix Giesa
für satt.org |
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Comics sind in der deutschen Hochschullandschaft nicht sonderlich häufig anzutreffen. Das gilt sowohl für die Rezeption als auch für die Produktion. Lediglich in Hamburg, wo Anke Feuchtenberger an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) eine kleine Gruppe Comicschaffender um sich geschart hat, werden systematisch Comics produziert. Überzeugen kann man sich von den Ergebnissen in der jährlich erscheinenden Anthologie „Orang“, die von Studenten im „Kiki Post“-Verlag veröffentlicht wird. Umso erfreulicher ist, dass in diesem Sommer zwei Titel aus dem universitären Umfeld dazugekommen sind.
„Two Fast Colour“ ist ein Magazin oder besser ein Fanzine, welches an der HAW von einigen Studierenden in knapp zwei Monaten zusammengezimmert wurde. Im A 4-Format, mit farbigem Cover und im Innenteil im schwarz-weißen Kopiestil ist es zumindest optisch kein Vergleich mit „Orang“. Der Inhalt bietet dann aber genauso graphische Feinkost, wie man das von der großen Schwester gewohnt ist. Und auch bei „Two Fast Colour“ finden sich internationale Gäste. Neben Kati Rickenbach aus Zürich, ist besonders die Arbeit von Benjamin Constantine aus Brisbane zu erwähnen. In einer traumhaft-surrealen Umgebung, die Constantine mit filigranem Strich füllt, werden dem Leser die Folgen der Lust und Versuchung vor Augen geführt. Im bewährten Stil erzählt Kati Rickenbach in Form eines sechsstrophigen Liedes von einer Party wie jeder anderen. Zentrum der Aufmerksamkeit ist dabei der namenlose Außenseiter, den es im wirklichen Leben immer auf Feten zu geben scheint und dem auch Rickenbach immer wieder gerne ihre Aufmerksamkeit schenkt. Wie auch schon in „Filmriss“ kommt der Musik dabei eine handlungstragende Rolle insofern zu, als das in ihr die Wünsche und Gedanken des Protagonisten wiedergegeben werden. So werden ihre Figuren nachvollziehbar und zutiefst menschlich. Aus dem Hamburger Umfeld gefallen besonders die Geschichten von Haina und Herausgeberin Marlene. Auf gerade einmal drei Seiten und lediglich in sechs Panels schafft es Haina die Idylle einer Liebesbeziehung aufzubauen, nur um ihr im abschließenden Panel einen Tiefschlag zu versetzen: Nie ist man(n) mit dem zufrieden was man(n) hat. Von der Entfremdung mit der eigenen Heimatstadt nach einem Umzug erzählt Marlene. Sie schafft es durch einen Kontrast zwischen den sehr einfach gehaltenen Figuren und der strengen Zentralperspektive das unangenehme Gefühl des Fremdseins auf der Seite zu transportieren. Weniger auf studentische Eigeninitiative als auf eine gezielte Seminarplanung ist „Strichnin“ zurückzuführen. „Das Comicmagazin der FH Augsburg, Fakultät für Gestaltung“ beruht auf dem Engagement von Professor Mike Loos, der in den vergangenen Semestern innerhalb der Studienrichtung Illustration Seminare zum Comic angeboten hat. Das hatte zum einen zur Folge, dass der Comic in Augsburg jetzt offiziell als Arbeitschwerpunkt etabliert ist und zum anderen, dass die besten Ergebnisse in Magazinform veröffentlicht wurden. Rein optisch und haptisch kann sich das Ergebnis auf jeden Fall mit vergleichbaren Produkten eines deutschen Verlags messen. Angenehm fällt auch auf, dass sowohl in „Strichnin“ als auch in „Two Fast Colour“ mehr weibliche als männliche Zeichner vertreten sind. Das kann dem männlich dominierten Medium nur gut tun.
Bei einem ersten schnellen Durchblättern erscheint das Album von solider Qualität. Bei einer genauen Lektüre zeigt sich dann was bei einer Anthologie nicht anders zu erwarten ist: die zehn ZeichnerInnen bieten Geschichten recht unterschiedlicher Qualität. Gut die Hälfte der Geschichten bedient sowohl inhaltlich als auch formal das klassische Funny-Genre. Die Ergebnisse sind durchaus als grundsolide zu erachten, aber wesentlich interessanter sind die formal und graphisch experimentierfreudigen Stories. In ihrer Adaption von Edgar Allan Poes „Das verräterische Herz“ zeigt Lucia Götz wie so ein innovativer Comic aussehen kann. Erzählerisch eher formal, bedient sie sich auf der graphischen Seite der schwarz-weißen Collage und präzisen Tuschezeichnungen, um die Handlung visuell umzusetzen. Dabei integriert sie die unterschiedlichsten Bildmedien und erweist sich hierbei als sehr kreativ. Wenn die Tür zum Zimmer des Opfers geöffnet wird, verwendet sie eine Fotosequenz und um die Wirkungsweise einer Lampe auf das Opfer zu verdeutlichen, erklärt eine anatomische Tafel die Funktion des menschlichen Auges. Das Ergebnis ist sicherlich keine leichte Kost und mag verstörend wirken. Aber in diesem Fall unterstützt die Verstörung zusätzlich auch noch die Handlung. Teilweise ebenfalls collagenhaft erscheint Carla Schosteks Comic „Ullas Rätsel“, allerdings arbeitet sie mit Farbe. Tagebuchartig erzählt hier ein kleines Mädchen von dem Versuch mehr über die Herkunft ihres gefunden Hundes Razor zu erfahren. Wie im Märchen weist ihr ein Orakel den Weg zur Hexe, die etwas mit der Herkunft Razors zu tun haben soll. Bei Schostek sind Orakel und Hexe jedoch der verrückte Straßenkehrer Eugen und „ne Ökotante“, die im Wald lebt, „um [sich] von der kapitalistischen Gesellschaft zu distanzieren.“ Die Figuren sind dabei bis ins Groteske übersteigert und erinnern dabei an die Figuren eines Tim Burton oder Jhonen Vasquez. Gekonnt wird hier mit Vorurteilen gespielt und auch eine Moral gibt es zum Ende der Geschichte: „So lange wir uns gern haben, ist die Welt in Ordnung.“ Einziger kleiner Wehrmutstropfen für beide Comics ist, dass sie lediglich über das Internet zu bestellen sind. Ist ein umfangreicher Handel für ein Fanzine wie „Two Fast Colour“ gar nicht impliziert, so sollten sich aber die Herausgeber von „Strichnin“, für das für Sommer 2008 eine zweite Ausgabe angekündigt ist, eine Vertriebsmöglichkeit überlegen, um auch die Comicläden zu erreichen. Zum einen zum Selbstzweck, zum anderen aber auch, um die universitäre Comicausbildung publik zu machen. Marlene Krause und |
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