Alligatorfarm
Perry - Unser Mann im All
Genie und Wahnsinn liegen zwar in Wirklichkeit seltener dicht beieinander, als das Sprichwort einen glauben machen will. Im Fall der „Perry - Unser Mann im All“-Comicreihe allerdings sind sie eine extrem enge Bindung eingegangen. „Perry“ ist so ziemlich der unwahrscheinlichste Comic, den man in der Comiclandschaft 2007 von irgendwem erwartet hätte.
Dabei fällt doppelt ins Gewicht, dass die Serie auf „Perry Rhodan“ basiert - Science-Fiction-Klassiker, Endlos-Saga im All aus deutschen Landen, und bieder bis ins Mark. Jede Woche ein neues Heft, wobei alles schön aufeinander aufbaut. Logik und Vernunft bestimmen das Konzept.
Comics gab es zu diesem kommerziellen Grosserfolg, der inzwischen fast 50 Jahre anhält, natürlich auch schon. Die aktuellen „Perry“-Hefte schliessen sogar an eine konkrete Tradition an. Ebenfalls unter dem Titel „Perry - Unser Mann im All“ erschien bereits in den Siebzigern eine entsprechende Serie. Und auch die hatte damals schon wenig mit dem biederen Appeal der Heftserie zu tun.
Auf der einen Seite greift die Alligatorfarm, das junge Hamburger Zeichnerstudio hinter den aktuellen „Perry“-Comics, somit eine Tradition auf. Mehrere sogar: das drogenbunte Farbverwirrspiel, die riesige Masse sexueller Andeutungen und Ausschweifungen, die wild und voltenschlagend vorangetriebene Handlung der jüngsten Hefte gab es bereits in diesen Heften der Siebziger. Nicht zuletzt wegen dieser Ähnlichkeiten hat die neue Comicreihe auch die Nummerierung der alten fortgeführt. Aktuell ist man damit bei Ausgabe 133, obwohl erst vier Hefte bei der Alligatorfarm erschienen.
Aber Tradition ist eben nicht alles. Die Alligatorfarm dreht voll auf. Neben Zitaten auf legendäre Comics und saftigen, rasanten Geschichten, nach deren Logik man besser nicht fragt, kommen in den jüngsten Comics auch Handlungselemente zu tragen, die man in der Romanserie wohl vergeblich suchen würde. Strassenschlachten zwischen Slumbewohnern und Polizei etwa. Und ein Perry Rhodan, der sich mitten im Abenteuer mal eben eine Auszeit nimmt, um zu vögeln. Auch Zitate aus den Romanen finden sich. Aber sie werden regelmässig umgedeutet, neuinterpretiert, wie es den Machern grade passt.
Das ist der reine Irrsinn. Und ein riesengrosser Spass. „Perry - Unser Mann im All“ ist ein Comic, wie es ihn in Deutschland derzeit kein zweites Mal gibt. Die besten Traditionen klassischer Independent-Comics vermischen sich hier mit einer Institution deutscher Trivialunterhaltung - besser gesagt: beides wird kräftig mit dem Mixer zusammengerührt. Ungefähr alle drei Monate erscheint ein neues Heft, und bis jetzt war jedes besser als das vorherige.
Perry - Unser Mann im All
jedes Heft 52 S. plus Posterbeilage; € 4,95;
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