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November 2007
Felix Giesa
für satt.org

Dirk Schwieger: Moresukine. Wöchentlich aus Tokyo

Dirk Schwieger:
Moresukine


Ihr Auftrag ist: ...

Dirk Schwieger lebte einige Zeit in Tokyo und hat während dieser Zeit ein Blog geführt. Das kommt vor und damit ist er mit Sicherheit nicht der Einzige. Dirk Schwieger macht außerdem noch Comics. Damit ist er in Tokyo auf gar keinen Fall der Einzige. Aber sein Kram ist dann doch ein bisschen anders: Er hat in seinem Blog dazu aufgerufen, dass ihm Aufträge erteilt werden, die mit seiner neuen Wahlheimat Japan zu tun haben und über die er eine Woche später in Comicform in seinem Blog berichten muss. Wie bei den berühmten Aufträgen an Cobra gab es für ihn dabei allerdings kein „sofern Sie den Auftrag annehmen“, sondern er musste nehmen was kam. Die dabei entstandenen 24 Aufträge sind vor kurzem bei Reprodukt gesammelt erschienen.

Dem Internet sei Dank erhielt Dirk ziemlich schnell die verschiedensten Anfragen aus aller Herren Länder und machte sich ans Erkunden seiner aktuellen Umgebung. Dabei reichten die Aufträgen von so absehbaren Dingen wie Auskunft über die japanische Mode zu erteilen bis hin zu tiefgründigen Überlegungen über die japanische Religion und Schwertschmiedekunst. Dabei ist die Tatsache, wie unvoreingenommen Dirk an die Aufträge meistens heranging und dann teilweise regelrecht mitgerissen wurde, das, was „Moresukine“ so lesenswert macht. Wie zum Beispiel in „Auftrag 09: Para Para“. Dabei „geht es um das Durchführen einer festgelegten Reihe von Handbewegungen“. So kritisiert er zwar den entindividualisierenden Aspekt von „Para Para“, der die Tänzer wie Zombies erscheinen lässt, kann sich aber dem Gruppenerlebnis nicht entziehen (vgl. Abbildung 1).

Dirk Schwieger: Moresukine. Wöchentlich aus Tokyo
So sehr ihn der Para Para-Tanz auch begeistert, bleibt Dirk Schwieger doch zumindest mit dem linken Fuß auf dem Boden der Tatsachen: er ist ein willenloser Zombie.
  Dirk Schwieger: Moresukine. Wöchentlich aus Tokyo
Befreit von der Enge des Kapselhotels verlässt Dirk Schwieger das enge Panelformat, denn der Himmel scheint „über Nacht noch etwas weiter geworden“ zu sein

Äußerlich sieht der Band dabei wie eine dieser schwarzen Hemingway’schen Kladden aus und auch der Titel „Moresukine“ klingt irgendwie verdammt nach „Moleskin“. Formal-inhaltlich erinnert der Band dabei an Comicreportagen wie zum Beispiel Moga Mobo’s „Global Madness“ oder auch „Cargo“ aus dem Avant-Verlag. Mit „People not seen“ hat Dirk Schwieger bereits selber auf diesem Bereich Erfahrung gesammelt und bedient damit sicherlich einen zukunftsfähigen Bereich des Comics. Hat er mit „People not seen“ seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, in verschiedenen Zeichenstilen zu Hause zu sein, bestechen die Arbeiten aus seinem Blog durch den abwechslungsreichen Gestaltungsreichtum. Auf meistens lediglich vier Seiten entwirft Dirk Schwieger ein dem jeweiligen Thema angemessenes Layout und hält es für die einzelne Geschichte bei. Im fünfzehnten Auftrag besucht er z.B. den Berg Takao und nutzt den umgebenden Wald, um aus Zweigen Panelränder entstehen zu lassen. Noch konsequenter gelingt ihm dies in seinem Bericht über eine Nacht in einem Kapselhotel. Die Form der Kapselluken dient ihm als Panelrahmen und die vier mal drei Anordnung der Panels schafft auf der Seite optisch einen Eindruck der Enge, die man in den gestapelten Schlafkapseln empfinden muss. Seinem Gefühl der Befreiung nach der beengten Nacht schafft er Raum, indem er ebendieses Schema am Ende der Episode wieder aufbricht (vgl. Abbildung 2).

Im letzten Teil des Comics agiert Dirk Schwieger dann selber als Auftraggeber. Er gab anderen Comickünstlern auf, Japaner zu treffen und darüber zu berichten. Dabei haben sich so illustre Leute wie James Kochalka und Leo Leowald, aber auch andere dazu bereit erklärt, den Auftrag anzunehmen. Hier gefallen besonders die eher unbekannten Zeichner wie 18Metzger und Ryan North. Somit erhält man einen Comicband, der sowohl von seinem innovativen Ansatz, als auch von seiner gekonnten Umsetzung voll und ganz überzeugt. Vielleicht findet Dirk ja nach all dem Bloggen wieder Zeit, um seine Comic-Novelle „ineinander“ fertig zu stellen ...



Dirk Schwieger: Moresukine. Wöchentlich aus Tokyo
Berlin: Reprodukt 2007,160 Seiten, € 16,-

Dirk Schwieger im Netz:
» www.eigen-heim.com
» tokyoblog.livejournal.com
» www.electrocomics.net
» Reprodukt
   » amazon