Dik Browne:
Hägar der Schreckliche
Gesamtausgabe
Sein Name schreibt sich, wie man sonst Heiligennamen schreibt: „Johannes der Täufer“ oder „Jakobus der Gerechte“. „Der Schreckliche“ ist in erster Linie Bezeichnung, ein Rufname. Das muss man verstehen, um diesen knubbeligen Wikinger zu verstehen, der zwar bärtig und ungewaschen, aber eigentlich alles andere als schrecklich ist. Das steht nur auf der Visitenkarte.
Sicher, er raubt, brandschatzt und mordet, aber er tut das mit dem Selbstverständnis eines Fabrikarbeiters, der früh zur Schicht geht. „Schrecklich“ ist er nur von acht bis fünf. Und ebenso sauer wie jeder andere Werktätige, wenn er morgens das Schiff zur Arbeit verpasst oder zu Feierabend das Essen nicht auf dem Tisch steht. Hägar ist ein naher Nachfahre von Fred Feuerstein, und in seinen Lebensvorstellungen nicht unähnlich Homer Simpson, beide mit ebenso klingenden Namen gesegnet.
Allen gemein ist, dass sie als normale Familienväter in ein absurdes Setting geworfen sind und das Spiel mitspielen. Seien es Steinzeit oder eine völlig von allen Regeln der Logik befreite Kleinstadt oder eben das vorgeblich finstere Mittelalter: am Ende zählt, dass die Familie genug zu Essen hat und noch Zeit bleibt für ein Bier nach Feierabend. Die Frau putzt, der Sohn liest und die Tochter umgarnt die Männer, aber eigentlich eher, weil man das von ihr erwartet. Rollenklischee galore.
Und das ist in seinem Kern natürlich erzkonservativ. Wo die „Simpsons“ genau dieses Konservative bloßlegen und seine inneren Widersprüche thematisieren, nutzt „Hägar der Schreckliche“ (oder „Familie Feuerstein“) das konservative Familien- und Wertebild grade mal als Kulisse. Das erklärt den Erfolg der Strips, die sich nahezu ohne anzuecken in die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ setzen.
Trautes Heim, Glück allein. Und weil Hägar, selbst wenn er britische Burgen erstürmt oder Frankreich plündert, so völlig normal und bürgerlich ist, mausert sich eine ganz andere Figur zum Star der Strips. Sven Glückspilz ist dürr, bartlos und überhaupt die Anti-Vorstellung eines Wikingers. Nicht einmal für ein „der“ im Namen hat es gereicht. Logik und Lernen zählen für ihn nicht. Er nimmt jedes Unglück (und davon gibt es viele für den „Glückspilz“) und jeden absurden Befehl Hägars mit lächelnder Gelassenheit. Bei seinen Auftritten verlässt der Strip zumeist das starre Korsett des Familiencomics und wird zur reinen absurden Saga. Sie sind das Salz in der Kantinensuppe dieses Strips.
Seit 1973 erscheint „Hägar der Schreckliche“ als täglicher Comic, inzwischen ein Familienunternehmen in zweiter Generation: Dik Brownes Sohn produziert den Strip seit 1988. Seitdem ist der Comic noch braver und betulicher geworden. Mehr oder minder essentiell sind also die ersten 15 Jahre, von Ehapa in bewährten Zwei-Jahres-Bänden gesammelt. Leider unter Auslassung der Sonntagsseiten, die gesondert publiziert werden sollen. Schrecklich an dieser Edition, wenn überhaupt irgendwas, ist das.
Dik Browne: Hägar der Schreckliche - Gesamtausgabe
Ehapa Comic Collection
je Band 320 S.; € 29.95
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