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Dezember 2007
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Stefan Pannor
für satt.org |
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Vermutlich muss man Anlässe so nehmen, wie sie kommen. Irgendwo zwischen dem 175 Geburtstag und dem 100. Todestag von Wilhelm Busch ordnet sich dieses Büchlein ein, das in neun Beiträgen von 12 Künstlern eine Hommage an den deutschen Urvater der Comics sein will. Es ist zudem der offizielle Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in Hannover. Herausgeber Martin Jurgeit hat seine Beziehungen spielen lassen, und so Großkaliber wie Ralf König und Volker Reiche ins Boot bekommen. Das ist aber fast schon vorhersehbar, zumindest die Museumsehre lässt sich sicher kein deutscher Comiczeichner entgehen. Viel spannender an diesem Band, der durchgängig Neuinterpretationen verschiedener Buschgeschichten enthält, ist aber die Auswahl auch dreier einheimischer Mangazeichner. Das zeugt von einem gewissen Mut, klaffen doch zwischen der deutschen Mangaszene und der eingesessenen Comicszene immer noch unübersehbare Gräben. Hier wird ein Zusammenschluss vollzogen, der schon lange nötig war (und den hoffentlich auch die Leser des Bandes mitmachen). Inhaltlich gibt es leider eher wenig Gutes zu berichten. Nach einem halbwegs furiosen, wenn auch im Reimschema nicht immer ganz sicheren langen Opener von Ralf König folgt leider fast durchgängig das große Mittelmass. Das enttäuscht besonders bei Volker Reiche, der es von Montag bis Samstag in seinem „Strizz“-Strip besser kann. Aber auch Ulf Graupners „Entführung aus dem Serail“ im alten „Mosaik“-Stil oder Laskas „Plisch und Plum“-Versionen sind allesamt, trotz deutlich sichtbarer Mühe und grafischem Eigensinn nur mäßig begeisternd. Wirklich interessant und in seiner wortlosen Poesie auch schön ist nur noch „Der kleine Herr Paul findet das Glück“ von Ulf K. und Martin Baltscheit. Der Rest liest sich weg, ohne wirklich Spuren zu hinterlassen. Müsste man sich wirklich auf die Suche nach einem Enkel Buschs im Geiste machen, bliebe wahrscheinlich sowieso nur Ralf König übrig. Der ist jetzt über 25 Jahre im Geschäft und hat nahezu ebensoviele Bücher in dieser Zeit publiziert. Buschs unernsten, derben, aber realistischen Moritaten kommt König vor allem in seinen Comicromanen nahe. Auch in „Hempels Sofa“, einem Band, der sich mehr eher den hetero- als den homosexuellen Eigenheiten widmet. Das fand sich deutlich sichtbar auch schon in den beiden Bänden zum „Bewegten Mann“, in „Lysistrata“ und zuletzt in den „Dschinn Dschinn“-Büchern. So ausführlich wie in der Liebesgeschichte von der frustrierten Psychologin Silke Hempel und dem Bauer Martin aber war das selten zu sehen. König strickt ein Garn um zwei sexuell frustrierte Vierziger, die sich lieber in Neurosen verstricken, als aufeinander zuzugehen. Das ist, wie gehabt bei König, sehr sehr routiniert erzählt und sehr sehr witzig. Aber zum Glück nie um der Pointe willen erzählt. Wirklich Neues sollte man natürlich nicht erwarten - aber immerhin gibt es eine herrlich schwitzige detailierte Heterosex-Szene, der man anmerkt, wie sie aus einschlägigen Filmen kopiert wurde. Und eine wunderbare Musical-Inszenierung von „Brokeback Mountain“, mit singenden Schafen und Ledertunten im Zelt fraglos der Höhepunkt des Bandes. Die einfühlsame, grundsympathische Charakterisierung aller Figuren und Martins knautschiger Frankendialekt runden den Band ab, der nicht zu Königs Besten gehört, aber mindestens großartig unterhält.
Diverse: Wilhelm Busch und die Folgen |
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