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Dezember 2007
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Stefan Pannor
für satt.org |
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Im Moment, nur im Moment, möchte ich nicht im Marvel-Universum leben. Es ist eine kalte, dunkle Welt geworden, jedenfalls in New York, Stammheimat der meisten Marvel-Helden. Nach den Ereignissen des Civil War besteht für alle Superhelden Registrierungspflicht - das heisst, sie müssen sich bei der Regierung melden, wenn sie weiter im Kostüm Schurken vermöbeln wollen. Wer sich nicht meldet, gilt als Krimineller, muss in den Untergrund gehen und mit Haftstrafen rechnen. Die „Mächtigen Rächer“ haben es da natürlich einfach, sind sie doch traditionell ein staatlich sanktioniertes Superhelden-Team. Und - als Comicfiguren - ein derzeit sehr erfolgreiches. Als Starautor Brian Bendis die Serie vor knapp drei Jahren beendete und von Ballast befreit als düstere Action-Serie unter dem Titel „New Avengers“ wieder auferstehen liess, produzierte er damit aus dem Stand einen der erfolgreichsten fortlaufenden US-Comics. Demzufolge logisch ist ein Spin-Off, diesmal unter dem Titel „Mighty Avengers“ (bzw., im Deutschen, „Die ruhmreichen Rächer“). Zeichner ist, jedenfalls zu Beginn, Frank Cho, den man hierzulande grade mal so durch seine Stripserien „Liberty Meadows“ und „University²“ kennt, der aber in den Staaten eine recht beachtliche Fangemeinde hat. Zusammen erzählen Bendis und Cho die Geschichte eines weiteren „Rächer“-Teams im Stil einer, nun ja ... düsteren Action-Serie. Das ist natürlich redundant, also müssen die Storys das ganze tragen. Aber das tun sie leider nicht. Sind schon die „Neuen Rächer“ teilweise recht anämisch, geschwätzig und gestreckt, so findet sich bei den „Ruhmreichen Rächern“ noch weniger Neues. Einmal mehr beginnt alles mit einem Kampf gegen Ultron, mit Rückblenden, die die Zusammenstellung des neuen Teams darstellen und mit ein paar halbherzig launigen Jokes. Alles schon bekannt. Cho liefert dazu einen ebenfalls grade mal handfesten Job ab. Am liebsten zeichnet er vornüberbordende Babes, und das merkt man - mitunter fragt man sich, wie die von ihm gezeichneten Frauen es schaffen, sich nicht gegenseitig im Weg zu sein. Ironischerweise am überzeugendsten ist Cho allerdings bei der Darstellung der Schurken und Monster der Geschichte, denen er einen Hauch Charisma und Individualität gibt. Insgesamt jedoch ein nur leidlich unterhaltsamer Auftakt, geschmälert in der deutschen Ausgabe noch durch die überragend gefühllose Übersetzung. Die ist schon deutlich besser bei den „Thunderbolts“, und das trotz gleichem Übersetzer (Michael Strittmatter)! Warren Ellis greift hier auf ein gut zehn Jahre altes Superhelden-Team zurück, in dem sich seinerzeit die Schurken versammelten, um unter der Maske der Helden Verbrechen zu begehen. Wie jeder aufmerksame Marvel-Leser hat auch Ellis die deutlichen Parallelen zur Situation des aktuellen Marvel-Universums erkannt, in der nicht entscheidend ist, was man tut, sondern für wen. Herausgekommen ist Ellis möglicherweise beste Arbeit der letzten Zeit. Seine Thunderbolts sind ein durch und durch psychopathisches Team von brutalen Schlächtern und karrieregeilen Psychopathinnen, unterwegs im Auftrag der Regierung, um unregistrierte Superhelden zu jagen und Publicity für die Regierung zu machen. Das ist ausgesprochen bitterer Stoff, und Ellis unterfüttert die Idee mit viel Zynismus und angenehm wenig Action. Genug jedenfalls, um die unsympathischen Charaktere zu durchleuchten. Nebenbei baut Ellis, Brite, der er ist, Anspielungen auf die Original-“Thunderbolts“-TV-Serie ein. Von der britischen Marionetten-SF-Serie der sechziger Jahre ist der Titel dieses Marvel-Produktes mindestens entlehnt. Und nun auch Marionetten bei Marvel - bildlich gesprochen. Sagte ich schon, dass ich froh bin, nicht dort zu leben? Brian Bendis, Frank Cho: Die ruhmreichen Rächer |
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