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Januar 2008
Stefan Pannor
für satt.org

Lewis Trondheim: Ausser Dienst

Lewis Trondheim: Ausser Dienst


Lewis Trondheim: Ausser Dienst
© Lewis Trondheim

Auf der Homepage von Lewis Trondheim gibt es natürlich auch eine Bibliographie. Das ist eine Kette winzigster, praktisch nicht mehr erkennbarer Thumbnails von allen Büchern, die der Comiczeichner in den letzten Jahren gemacht hat. Die Neugier des ersten Anklickens wandelt sich sehr schnell in eine Mischung aus Erstaunen, Entsetzen und dem Frust, den Überblick zu verlieren: das scrollt und scrollt und scrollt ...

Trondheim ist einer der aktivsten Comiczeichner unserer Gegenwart, in Frankreich vermutlich nur noch übertroffen vom scheinbar schlaffrei lebenden Joan Sfar. Dazu zählt er zu den besten, aber auch schwierigsten seiner Zunft. Seine Alltagsdramen von Herrn Hase und seine surrealen Comicstrip-Experimente besitzen den Geist, aber auch die Anatomie eines Woody-Allen-Films: viel Hirn, wenig Bauch. Das macht sie oft zu einer ebenso brillanten wie schwer annäherbaren Lektüre. (Ausnahme bilden hier Trondheims ungemein gefühlvolle Kinderbücher, die aber zumindest vom deutschen Publikum gar nicht akzeptiert wurden.)

Drei Monate nach einer selbstgewählten Auszeit als Comiczeichner und fünf Monate vor seinem vierzigsten Geburtstag beginnt Trondheim „Ausser Dienst“. Kein wirklicher Comic, sondern ein Tagebuch mit Gedanken und Gefühlen zum Älterwerden. Des Zeichners These: Comickünstler altern schlecht, schlechter als Künstler in anderen Metiers.

Das Buch reicht von der intellektuellen Nabelschau Trondheims bis zum Gespräch mit Künstlerkollegen, jüngeren wie älteren, die Trondheim über das Älterwerden befragt. Trondheim dokumentiert deren Aussagen mehr oder weniger gewissenhaft und von faszinierender Ehrlichkeit: wenn er etwas nicht verstanden hat, dann sagt er es auch.

Ein zu Beginn angelegter roter Faden (Trondheim im fiktiven Dialog mit seinem Publikum) geht den Skizzenblättern schnell verloren. Am Ende steht Trondheim pur, wie er sich selbst sieht. Sarkastisch, vor allem aber ängstlich, begabt, aber einsam.

So war Trondheim noch nie zu sehen. Auch nicht in „Approximate Continuum Comics“, dem anderen autobiographischen Comicexperiment des Zeichners. Denn „Ausser Dienst“ schildert jeden Moment unreflektiert, die Zeichnungen entstehen während oder kurz nach den geschilderten Ereignissen. Häufig sind es Landschafts- und Tierimpressionen, die Trondheim auch zeichnerisch ungewohnt wirken lassen. Es gibt keine Narration, kein erlösendes Moment, keine ultimative Erkenntnis. Der Band endet zwei Monate vor Trondheims vierzigstem Geburtstag mit dem Zeichner, der sich einmal mehr in seine Arbeit stürzt.



Lewis Trondheim: Ausser Dienst
Reprodukt, 80 Seiten, schwarzweiß, 22 x 15 cm, € 12,00
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