Olaf G.
von Lars Fiske und
Steffen Kverneland
Historiencomics sind so eine Sache: meist neigen sie aus Gründen der Narration zur Vereinfachung oder gar Umschreibung der Geschichte. Die besten positiven Gegenbeispiele gehen diesem Problem darum komplett aus dem Weg. Art Spiegelmanns „Maus“ berichtet streng aus der Ich-Perspektive über den Holocaust, Tardis „Grabenkrieg“ verzichtet auf nahezu jegliche Handlung zugunsten der historisch korrekten Darstellung. Meisterwerke sind beide.
Olaf Gulbransson, Thema in Fiskes und Kvernelands Graphic Novel, bietet mehr als genug Stoff für einen Historien-Comic. Immerhin reicht die Schaffensphase des „Simplizissimus“-Künstlers von der Belle Epoque bis zum Wirtschaftswunder. Ein Karikaturist, Cartoonist, Buchautor und Graphiker, der mit seinem Bleistift fünfzig der entscheidensten Jahre deutscher Geschichte begleitet hat. Der zu den bestbezahlten und berühmtesten Künstlern seiner Zeit gehörte, mit Hesse, Liebermann und Hamsun befreundet war. Gibt es einen besseren Stoff für einen Comic als gerade diese Lebensgeschichte eines Zeichners?
Aber Fiske und Kverneland nutzen die Chance nicht. „Olaf G.“ ist im Grunde die Geschichte zweier norwegischer Fanboys, die sich in Deutschland auf die Suche nach Spuren von Gulbransson und dessen Werk machen. Eine Mischung aus Nacherzählung von Gulbranssons Leben und Erlebnisbericht der beiden Karikaturisten. Die haben freilich nicht viel zu erzählen. Ganze Seiten des Comics sind damit gefüllt, wie die beiden - abgefüllt mit deutschem Bier und Schweinshaxe - in Kneipen, Wirtshäusern und Freisitzen ihre Zeit totschlagen. Wenn doch einmal etwas passiert, dann ist es meist so etwas Spannendes wie der Kauf eines Tirolerhutes oder das Kofferschleppen zum nächsten Bahnhof. Zudem portraitieren die beiden sich als permanent wie auf Exstasy stehende Nervbacken mit wildem Haar und gefletschten Zähnen. Geredet wird nicht, nur geschrien, geflucht, geschimpft und aufs gräßlichste grimassiert.
Und auch bei der Darstellung von Gulbranssons Leben ist der Comic nur wenig akkurat. Der Münchener Lebemann und bayrische Naturbursche, der die Frauen umgarnte und mit dem Arsch Nüsse knacken konnte, der vielbewunderte Künstler und der Nazi-Opportunist, der sich beizeiten für die Propaganda einspannen ließ, hier wird er in viel zu schönem Licht dargestellt.
Heruntergespielt wird etwa Gulbranssons Verhältnis zu den Nazis, das nicht - wie von Fiske und Kverneland dargestellt - erst nach Machtergreifung Hitlers begann. Schon 1931 etwa war er - wie viele andere seiner „Simplizissimus“-Kollegen auch - als Künstler an der sogenannten „Reparationsfibel“ beteiligt, einem deutlich rechts orientierten Pseudo-Sachbuch über den Vertrag von Versailles.
Solche Details blenden die beiden Gulbransson-Begeisterten aus und ergehen sich stattdessen lieber in seitenweisen Lobhymnen über die Liebe des Zeichners zur Natur. Natürlich ist es lyrischer, den nacken Olaf G. beim Grasmähen auf der eigenen Alm zu zeigen. Aber das Bild, das so entsteht, ist fraglos verzerrt.
Das Beste am Buch sind damit die unzähligen Abbildungen Gulbranssonschen Schaffens. Als Historien- und Erlebniscomic nur bedingt zu empfehlen.
Lars Fiske & Steffen Kverneland: Olaf G.
Avant-Verlag, 188 S.; € 24,95
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