Anzeige: |
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |
Mai 2008
|
Christopher Pramstaller
für satt.org |
|
Anime in FrankfurtWer sich in Frankfurt auf die Suche nach einer lebendigen Comic-Kultur begibt, der tut dies wohl vergebens – keine Verlage, keine Künstler, kaum Shops. Was Comics angeht, so ist Frankfurt Provinz. Zwar sorgt die die Buchmesse jedes Jahr dafür, dass sich die einschlägigen Verlage nebst Zeichnern wenigstens zu diesem Anlass in die Mainmetropole verirren, für den Rest des Jahres bleibt es im Allgemeinen jedoch recht ruhig rund um die sequenzielle Kunst. Umso überraschender ist es, wie ausführlich sich die Frankfurter Museenlandschaft in diesem Frühjahr mit Comic, Manga und Anime beschäftigt. Beim Flanieren am Mainufer sind die bunten Plakate kaum zu übersehen und locken derzeit zahlreiche Interessierte und Neugierige an. Dass der Schwerpunkt bei den Ausstellungen auf Manga und Anime fällt, ist wenig überraschend. Längst sind die japanischen Exportschlager in der hiesigen Popkultur angekommen und Anime-Serien bestimmen schon seit geraumer Zeit das nachmittägliche Fernsehprogramm. In den 1970er Jahren war es eher Zufall, dass der japanische Anime den Weg in deutsche Wohnzimmer überhaupt antreten konnte. Die europäischen Fernsehanstalten – in Deutschland das ZDF - waren schlichtweg darum bemüht, die Kosten des eigenen Kinderprogramms zu senken und strebten daher Kooperationen mit japanischen Animationsstudios an. Hierzulande redaktionell überarbeitete Stories von japanischen Studios zeichnen zu lassen war einfach billiger, als weiter auf aufwendige Schauspielproduktion zu setzen. Entstanden sind aus diesen Kooperationen so bekannte Serien wie „Heidi“ oder „Wickie“, die auch heute immer wieder ausgestrahlt werden. Der Hype um „Pokémon“ in Verbindung mit dem hier zu Lande in diesem Maße bis dahin unbekannten Crossmarketing etablierte das Genre weiter in der deutschen Kulturlandschaft. Was läge also für das Deutsche Filmmuseum näher, als sich nach einer so langen Zeit des Daseins in der deutschen Pop- und Jugendkultur den animierten Bildern anzunehmen und ihnen die Sonderausstellung „ANIME! High Art – Pop Culture“ zu widmen. Anspruch der Ausstellung ist es, in verschiedenen Modulen die vielfältigen Ausprägungen der heutigen Anime-Welt darzustellen und so dem interessierten Besucher und auch Experten eine Überblick über den derzeitigen Stand der Genres zu ermöglichen. Cel. CHIISA NA BIKINGU BIKKE, Regie: Saitō Hiroshi, J 1972. Sammlung Frostrubin. Tritt man ein in die Räumlichkeiten des Deutschen Filmmuseum, so wird sofort klar, dass man sich auf eine überaus bunte und schnelle Welt einlassen darf. Von der Decke hängen Banner mit bekannten Anime-Charakteren, an den Wänden befinden sich Kästen mit Originalfolien aus der Animeproduktion, Bildschirme lassen Filmszenen flimmern und an allen Ecken und Enden sind Geräusche zu vernehmen – das Interieur soll Atmosphäre schaffen. Jene Atmosphäre, die man mit jugendlichen Anime-Fans und den bekannten Serien des deutschen Nachmittagsfernsehens in Verbindung bringt. So sollen Stil und Gefühl nicht nur durch die Exponate und Informationstafeln vermittelt, sondern ebenso auf der emotional-atmosphärischen Ebene transportiert werden. Nach einer allgemeinen Einführung in das Genre, die Produktionsweise und ein wenig Geschichte, stehen die zentralen Ausprägungen des heutigen Anime im Mittelpunkt der Ausstellung. Mittlerweile haben sich im Anime zahlreiche Subgenres herausgebildet, die jeweils eine ganz spezielle Zielgruppe ansprechen und so auch eine genuine Ästhetik und Thematik entwickelt haben. Um dem Anspruch einer umfassenden Darstellung des status quo des Anime gerecht zu werden, haben die Kuratoren auch all diesen Genres einen Platz eingeräumt – Anime für Mädchen (shōjo), Anime für Jungen (shōnen), Anime für Erwachsene (seinen) und erotische Anime (hentai und ecchi). Cel. TETSUWAN ATOMU, Regie: Tezuka Osamu, J 1963. Collection of Mike & Jeanne Glad Wäre dieses Fülle an Information nicht schon genug, um allein für sich dem Anspruch einer umfassenden Darstellung des Genres gerecht werden zu können, so ließ man es sich nicht nehmen noch weitere Schwerpunkte zu setzen. So wird ein Blick auf die Verbindungen von Anime und 3D-Technik geworfen, der crossmedialen Vermarktung ein Raum zur Verfügung zu stellen, und auch die „high art“ findet durch den Maler und Illustrator Amano Yoshitaka ihren Platz. Produktion, Rezeption, Fankultur, Merchandise und High Art – alles findet hier seinen Platz. An Abwechslungsreichtum ist die Ausstellung mit Sicherheit nur schwer zu überbieten. Eine derart hohe Dichte und Fülle an Information hat aber auch ihren Preis. Die bereitgestellten Informationen können in diesem Rahmen nicht tiefgehen. Die Infotafeln liefern stets nur das Allernötigste und gehen im medialen Gewirr der Ausstellung leider ein wenig unter. Sie lassen eher Fragen entstehen, anstatt sie zu beantworten. Der zur Ausstellung erschienene Katalog kann da vielleicht weiter Aufklärung liefern. Mit 280 Seiten und einem Preis von € 24,90 ist er dabei aber eher zu einer eigenständigen Publikation ausgeartet, als austellungsbegleitend Informationen zu liefern. Cel. BISHŌJO SENSHI SAILOR MOON, Regie: Sato Jun’ichi, J 1992 , Sammlung Frostrubin. Verlässt man nach einer guten Stunde das Filmmuseum, so muss man sich fragen, was man aus der Ausstellung mitnimmt. Sicherlich, ein Überblick über den aktuellen Stand des Anime bleibt irgendwie im Gedächtnis, auch wenn die Darstellung der Einzelelemente leider stets etwas verkürzt erscheint. Den Versuch zu unternehmen, wirklich alles besprechen zu wollen, das in Verbindung zum Anime steht, kann man eingehen. Ein derart umfassendes Vorhaben in einer Sonderausstellung umzusetzen, ist allerdings gewagt. Und letztendlich muss man festhalten, dass die Ausstellung im Deutschen Filmmuseum Frankfurt diesen Ansprüchen zumindest in Teilen nicht gerecht werden kann. So erscheinen die einzelnen Aspekte eher aus dem Geamtkomplex herausgerissen und nebeneinander stehend, als ein stimmiges zusammenhängendes Bild zu vermitteln. Vielleicht hätten sich die Kuratoren hier selbst Grenze setzen sollen. Wer einfach nur neugierig ist, und sich mit Anime erstmalig auseinandersetzen will, der kann hier erste Anreize finden. Und auch der Aficionado wird sich für die Orginalfolien aus der Produktion begeistern können. Wer eine tiefergehende thematische Auseinandersetzung mit der kulturellen Erscheinung Anime sucht, wird leider schnell enttäuscht werden.
Anime! High Art – Pop Culture |
satt.org | Literatur | Comic | Film | Musik | Kunst | Gesellschaft | Freizeit | SUKULTUR |