Comics made in Germany
60 Jahre Comics aus Deutschland
Ausstellung in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig
13. Juni bis 6. September 2008
Manch einer wird sich wundern, warum es angeblich erst seit 60 Jahren „Comics made in Germany“ geben soll. Wird in diesem Jahr nicht der hundertste Todestag von Wilhelm Busch begangen, des vermeintlichen Stammvaters deutscher Comics? Gibt es also nicht schon seit mindestens über 100 Jahren Comics aus deutschen Landen?
Um diese Fragen beantworten zu können, muss man sich kurz die nach wie vor aktuelle Debatte um den Gegenstand ,Comic’ vor Augen führen. Diese ist nicht ganz neu und spätestens seit Erscheinen von Scott McClouds „Comics richtig lesen“ auch einem breiteren Publikum bekannt. Zumindest der McCloud’sche Teil der Debatte. McCloud stellt die Behauptung auf, dass Comics nicht etwa eine Erfindung der Neuzeit wären. Viel eher ist er der Meinung, dass es Comics schon immer gab. Der „Teppich von Bayeux“ – ein Comic. Die „Trajanssäule“ – ebenfalls ein Comic. Genauso die Symbolschrift der Ägypter oder präkolumbische Schriften. Nach seiner Auffassung Comics. Legt man diesen Maßstab an, dann gibt es in der Tat nicht erst seit 60 Jahren „Comics made in Germany“. Doch Kurator Bernd Dolle-Weinkauff teilt, wie viele Comicforscher, diese Auffassung nicht. Vielmehr kann man bei allen diesen Beispielen von einem zugrunde liegenden „Erzählprinzip in Bildern“ ausgehen, dessen modernste Spielart eben der Comic ist. Somit sind die Comics, die in der Leipziger Ausstellung „Comics made in Germany“ zu sehen sind, Beispiele, die aus der Tradition der amerikanischen Heftchentradition erwachsen sind und überaus fruchtbare Blüte getragen haben.
So erhält man zu Beginn auch erst einmal einen kleinen Einblick in das, was es vor dem ersten ,deutschen’ Comic gab: Bilderbücher und illustrierte Geschichten. Den Anfang der ,echten’ Comics markiert dann 1948 ein echter Knaller: „Bumm macht das Rennen“. Gezeichnet von Klaus Pielert wurde hier die Geschichte eines Jungen erzählt, der bei der Aufklärung von Verbrechen hilft. Comics konnten sich schnell auf dem Markt etablieren und in den 1950er Jahren kommt es zu einem ersten Comic-Boom. Dessen Höhepunkt stellt die Detektivgeschichte „Nick Knatterton“ dar. Von seinem Schöpfer Manfred Schmidt eigentlich als Persiflage gedacht, um den vermeintlichen Stumpfsinn der Comics zu offenbaren, entwickelte sich die Geschichte zum wahren Renner. Geprägt ist diese Zeit auch von der Gründung zweier Verlage: Der Kauka Verlag suchte mit Titeln wie „Fix und Foxi“ an den Erfolg der Disney-Figuren anzuknüpfen und der Walther Lehning Verlag, dem Haus-und-Hof-Verlag von Hansrudi Wäscher, veröffentlichte Abenteuertitel in der Tradition der amerikanischen Zeitungscomics wie „Prince Valiant“ oder „Flash Gordon“.
In der Ausstellung werden immer einige Titel aus der jeweiligen Zeit präsentiert, Tafeln in Sprechblasenform erläutern in knappen Sätzen das Gezeigte. Doch darin liegt auch schon ein grundlegendes Problem der Ausstellung. Wenn aus den 1960er und frühen 1970er Jahren Comics gezeigt werden, ihre Verbindung zum Underground, ihre feministischen Tendenzen oder auch die Verbindung der Bilderbücher Alfred von Meysenbugs mit den Comics dieser Zeit angedeutet werden, dann verlangt es den Betrachter nach wesentlich mehr Information. Diese bietet teilweise der Katalog, doch auch dieser kratzt mit knapp 60 Seiten Text zur Ausstellung nur an der Oberfläche. Was fehlt, ist eine konkrete Einordnung der Titel und vor allem auch eine kritische Wertung. Spannend wäre etwa, den Einfluss der Comic-Avantgarde der 1990er Jahre um Anke Feuchtenberger und Martin tom Dieck auf heutige Comicschaffende aufzuzeigen oder die Entwicklung der Manga-Rezeption hierzulande und ihren Einfluss auf die deutschsprachige Mangaka-Szene zu erläutern.
So kann die Ausstellung lediglich einen Überblick darüber verschaffen, was es in den letzten 60 Jahren für deutsche Comics gab. Natürlich kann die Ausstellung einer Bibliothek kaum Originalseiten oder Skizzen präsentieren, diese gehören schließlich nicht zum Sammelgebiet, aber man hätte sich doch sehr einen Blick in die gezeigten Hefte gewünscht. Nur die Cover betrachten zu können, ist in Zeiten von Internet-Cover-Galerien recht unbefriedigend. Dennoch muss man sich freuen, dass so eine Ausstellung überhaupt möglich ist, und es wird ein Eindruck davon vermittelt, was sich noch für Schätze in den Sammlungen der „Deutschen Nationalbibliothek“ und der Bibliothek des „Instituts für Jugendbuchforschung“ verbergen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. September und kann zu den Öffnungszeiten der Nationalbibliothek Leipzig besucht werden. Der Eintritt ist frei. Der Katalog ist im Harrassowitz Verlag erschienen und kostet € 14,-. Er bietet einen groben Umriss der Entwicklung und Bio-Bibilografien der gezeigten Künstlerinnen und Künstler. |