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24. Juli 2008
Stefan Pannor
für satt.org

Peter van Dongen: Rampokan

Peter van Dongen:
Rampokan

1945 war Niederländisch-Ostindien, heute Indonesien, erstmals seit Jahrhunderten frei von kolonialen Besatzern. In das aufgrund Kriegsende entstandene Machtvakuum preschten nationale Kräfte, die versuchten, das Land nach der Fremdherrschaft in die Eigenständigkeit zu führen.

Eine der Folgen dieses Bemühens sind niederländische Truppen, entsandt, die Kolonie um jeden Preis zu halten. Bei ihnen Johan Knevel, der als Niederländer in Indonesien geboren wurde und nun nach Jahren der Abwesenheit in eine Heimat zurück kehrt, die nicht mehr existiert.

Man kann ihn kaum einen Held nennen. Knevel lässt sich in Tagträumen von seiner idealisierten Vergangenheit treiben, traut niemandem so recht und tötet gleich zu Beginn auf der Überfahrt nach Java einen seiner Mitsoldaten, wenn auch tatsächlich aus Versehen. Konfrontiert mit der bitteren Realität des Guerillakrieges und traumatisiert vom Ereignis während der Überfahrt, endgültig heimatlos durch den Krieg, verliert Knevel sich mehr und mehr selbst.

Das ist wahrlich kein Abenteuercomic. Auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht. Van Dongen steht zwar in der Tradition der modernen Ligne Claire, dem von Hergé eingeführten Prinzip der grafischen Reduktion. Die mit wenigen Strichen umrissenen Figuren und die überaus detailierten Hintergründe stehen in der Tradition der jüngeren Nachfolger Hergés, die dessen klaren Stil auflockerten und mit mehr Details anreicherten. Und tatsächlich sind die meisten der in dieser Tradition entstandenen Comics (von „Suske & Wiske“ bis „Theodor Pussel“) Abenteuercomics.

Aber hier geht es nicht um eine romantische Episode voller Gefahren, deren gutes Ende vorhersehbar ist. Van Dongen schildert ein Kaleidoskop von Figuren, die entweder gebrochen sind oder im Verlauf der Ereignisse brechen - auch wenn nicht alle sich das anmerken lassen. Es ist eine Frage der Identität, die nahezu alle antreibt: Knevel hat seine verloren, Riebeek, der Journalist, seine gewechselt, Erik Verhagen kam nie so recht dazu, eine zu entwickeln. Eher verwirrt als tatkräftig lassen diese und eine Handvoll weitere Figuren sich von den Ereignissen treiben, die meisten auf der Jagd nach einem unerreichbaren Ziel: Macht, Wohlstand, Vergangenheit.

Van Dongens Zweiteiler ist aufgrund seiner psychologischen und historischen Komplexität eine der wenigen Albenreihen, die tatsächlich den Titel des „Comicromans“ verdienen.



Peter van Dongen: Rampokan
avant-Verlag, 72 S., 17,95 €
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