Stephen King:
Der Dunkle Turm
Viel grauenhafter als jedes Monster sind meist das menschliche Elend oder Menschen, die sich in all ihrer bedeutungslosen Freudlosigkeit durch die Tage schleppen. Solche Menschen findet man in Jae Lees graphischer Adaption von Stephen Kings Saga „Der Dunkle Turm“. Eine verhutzelte Farmersmuhme ist da zu sehen. Und viele Viehhirten und Sheriffs, langhaarig und zerlumpt, deren einziges Vergnügen darin besteht, ihr kleines bisschen Macht mit Gewalt an anderen auszulassen.
Und mittendrin Roland, der Königssohn, ein Heranwachsender, der in Blue Jeans, mit der Waffe in der Hand und voll pubertärer Ungeduld für Ordnung sorgen möchte und sich in der hinterwäldlerischen Einöde mit den Mächten des Bösen konfrontiert sieht, die Mittwelt zu überrennen drohen. Denn das ist nicht Amerika. „Der Dunkle Turm“ ist Fantasy - aber man sieht es dem Buch nicht sofort an. Die Farmersmuhme ist eine Hexe und die schwer bewaffneten Öldiebe agieren im Auftrag eines mächtigen Hexers. Konsequent deutet der Comic die Motive des klassischen Western so lange ins Fantastische um, bis sie sich mit einer Bedeutung des Grauens aufladen.
Der Comic basiert auf Stephen Kings gleichnamiger Serie aus sieben Romanen, die dieser von 1970 bis 2004 schrieb. Anders als in seinen meist sehr realitätsnahen sonstigen Romanen schildert King in diesen Büchern eine komplett aus den Fugen geratene ferne Welt, in der ein paar Revolvermänner versuchen, die Apokalypse mit Sechsschüssern zu verhindern. Und wenn King in den Geschichten Revolvermänner und Roboter, Riesenspinnen und Harry Potters Schnatze, dreckige Western-Städte und High-Tech-Einschienenbahnen vermengt, dann ist die Welt des Dunklen Turms nicht nur ein bisschen verrückt, sondern komplett irre.
Aber erst Jae Lee macht aus dieser Endzeit mit Cowboyhüten ein wahres Stück amerikanischen Grauens. Der gebürtige Koreaner, der vorher vor allem an Marvels Superhelden-Serien gearbeitet hat, gestaltet die Geschichte um die drei blaublütigen Outlaws, die in die Stadt reiten, um das Mädchen, das Öl und die Welt zu retten, als düsteres Schattenspiel. Nur in den allerwenigsten Sequenzen sind Gesichter und Figuren klar zu erkennen, beinahe alles ist in permanentes Halbdunkel und verwirrende Schatten getaucht.
Leider liegen hier aber auch schon die Grenzen dieses Comics. Der Band, der keine reine Adaption einer Episode der Bücher ist, sondern den Grundstein legt für eine ganz und gar eigenständige Ergänzungsepisode zu den Romanen, tritt viel zu oft auf der Stelle, walzt eher kleine Geschehnisse breit aus und ist allgemein viel zu bombastisch geschwätzig.
Stephen King: Der Dunkle Turm
Adaptiert von Peter David, Jae Lee u. a.
Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner
Heyne, 240 Seiten, 19,95 €
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