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27. November 2008
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Felix Giesa
für satt.org |
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Die Zoologie in Zeiten von Krieg und LiebeDer dritte und abschließende Teil von „Zoo“ liegt nun endlich bei Carlsen vor! Das ist in der Tat guter Grund zur Freude, denn immerhin sind seit dem Erscheinen des zweiten Bandes sieben Jahre vergangen. Das Carlsen nur knapp ein Jahr nach dem französischen Abschluss der Reihe den Band vorlegt, ist dabei besonders erfreulich, denn häufig genug ist ein Abschluss nach so langer Zeit ein unternehmerisches Wagnis. Zu viele Leser gehen unterwegs verloren. Dabei ist „Zoo“ ein franko-belgischer Comic erster Güte. Die Geschichte von Philippe Bonifay wird vom unvergleichlichen Frank in atemberaubend schöne Bilder gefasst. Frank, der bereits Ende der 1980er Jahren mit „Jonas Valentin“ einen unvergesslichen Comictraum schuf, kann hier wieder ganz seinem Faible frönen und die allerschönsten Tierbilder schaffen, die es auf Comicseiten je gab. Bonifays Szenario ist geradezu ideal für Frank: inmitten des heraufziehenden Horrors des Ersten Weltkrieges schafft sich eine Gruppe Menschen ihr eigenes Paradies auf Erden und lebt in einem riesigen Privatzoo in der Normandie. Zu Beginn des ersten Teils folgen die Ereignisse der Russin Anna, die ihren Liebhaber verlor und von seinen Mördern die Nase abgeschlagen bekam. Als Ausgestoßene landet sie schließlich gemeinsam mit einer Gruppe Sinti im Zoo von Célestin, seiner Ziehtochter Manon und dem Bildhauer Buggy. Es scheint fast so, als diene dieser gesamte erste Band Autor und Zeichner nur dazu, den Zoo in üppigen Bildern vorzustellen, damit der Leser überhaupt eine Vorstellung von der Bühne des Geschehens hat. Man hat den Eindruck, als würden hier Mensch und Tier in der ursprünglichen Einheit des Paradieses leben. Die lyrische, häufig verrätselte Sprache Bonifays findet sich so wunderbar umgesetzt in den schwelgenden Bildern Franks, wenn zum Beispiel die jugendliche und naive Manon sich ihrer ungezügelten Liebe zu Buggy hingibt. Frank gestaltet diesen Akt als wilde Tour de Force durch alle Ecken des Zoos, bis sie schließlich zwischen den Wurzeln eines uralten Baumes den Höhepunkt erreichen. Frank versinnbildlicht hier auf der Seite eine natürliche und mystische Liebe, die bis tief in die Erde verwurzelt ist. Das diese weltentrückte Anschauung natürlich ins Unglück stürzen muss, schwingt nicht nur in diesem Bild unterbewusst mit, dass schließlich in dunklen Farben gehalten wurde. Auch die fatalistischen Andeutungen Bonifays finden ihren Widerschein, ist es doch nur ein von Hand geschaffenes Paradies in welchem die Tiere in Gehegen leben. Im dritten Band sind nun die Ereignisse des Krieges endgültig in die Welt des Zoos eingebrochen. Immer schwerer wird es für die Bewohner, die Tiere zu versorgen und den Park instand zu halten. Célestin ist im zweiten Teil seiner Berufung als Arzt gefolgt und leistet seither Frontdienst. Nichts ist mehr geblieben von den farbenfrohen Bildern der ersten beiden Bände, während die Daheimgebliebenen auf Nachricht von Célestin warten. Als dieser als vermisst gilt, ist es Anna, die sich auf die Suche nach ihm begibt. Es ist regelrecht entsetzlich, sehen zu müssen, wie Frank gezwungen ist, auf einmal von seinen heimeligen Plätzen aufzubrechen und den Schrecken des Ersten Weltkrieges zu malen. So feenhaft warm und regelrecht lebendig seine Aquarellzeichnungen der Tiere in den guten Tagen erscheinen, so düster und hoffnungslos sind die Bilder des Schlachtfeldes und der dort hausenden Soldaten. Mit „Zoo“ haben Bonifay und Frank eine idealistische Zwischenwelt geschaffen, die in einer Welt des Chaos und Leid zu ertrinken droht. Doch es geht den beiden Schöpfern um eine grundlegende Zwischenmenschlichkeit, die auch in den Zeiten größten Leids niemals verleumdet werden kann. Célestine erkennt das als Arzt als erster und begibt sich selbst in Gefahr, um die größte Not zu lindern. Es ist seine Liebe zu seinen Mitlebewesen, welche die anderen schließlich wieder mit der Welt versöhnen wird. Dass die Handlung hierbei nicht übermäßig rührselig wird, beweißt darüber hinaus, wie gut die beiden ihr Handwerk verstehen und warum sie 1996 für „Zoo“ den „Max-und-Moritz-Preis“ für die „Beste Deutsche Comicpublikation“ erhalten haben.
Philippe Bonify (Text) Abbildung aus dem besprochenen Band: Strangers in Paradise: Die beiden Sinti-Frauen erkunden das selbstgeschaffene Paradies im ersten Teil von Franks und Bonifays „Zoo“. Anna befindet sich im abschließenden dritten Teil auf der Suche nach Célestin zwischen den Fronten des Ersten Weltkrieges. Für den Zeichner Frank, sonst eher für liebevolle Tierzeichnungen bekannt, muss dieses Szenario einen regelrechten Kampf bedeutet haben. Wohl auch ein Grund dafür, dass der Abschlussband so lange auf sich warten lies.
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