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Niffi und ihr Bruder Gustav haben leider nicht auf die Schließzeiten geachtet. Der Museumswärter kann sie nun aufgrund seiner Dienstvorschriften nicht mehr heraus lassen.
Schon bald wird klar, dass sie sich in einem Museum befinden, dessen Grenzen endlos scheinen. Doch ist es wirklich eine Traumwelt?
In Hommers und Bandels Museum lässt sich vieles finden – das Museum kann alles sein. Ob die Sanitäranlagen zur Ausstellung gehören oder zum Toilettengang einladen, ist deshalb nicht mehr genau zu klären.
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Zitat-Pop in
Comic-Form
Museen können mitunter recht seltsame Orte sein, besonders wenn sie zu groß werden und sich Louvre, Metropolitan Museum oder Eremitage nennen. Herausgerissen aus dem Kontext wird dort alles Erdenkliche ausgestellt (schon der Ort an sich wird zur Kunst, zum Heiligtum erhoben). Die schiere Masse an Exponaten, die sich dort aneinander reihen, lässt die Frage aufkommen, wer dies alles überhaupt konsumieren kann. Das Museums-Monster frisst unersättlich alles in sich hinein, was ihm in die Quere kommt, und spuckt es in unrhythmischen Abständen als Sonderausstellung wieder ans Tageslicht.
Sascha Hommer und Jan-Frederik Bandel haben in ihrem Comic „Im Museum – Die Treppe zum Himmel“ einen Raum geschaffen, der jedes dieser Museums-Ungetüme noch bei Weitem übertrifft, denn es scheint endlos zu sein und alles nur Erdenkliche in sich zu beherbergen. Seit nunmehr über eineinhalb Jahren sind das Geschwisterpaar Gustav und Niffi in ihm auf einer abenteuerlichen Reise durch Wälder und Wolkenwelten, die Osterinseln und Computerspiele.
Seit Mai 2007 erscheint die Geschichte als Tagesstrip auf der Rätselseite der „Frankfurter Rundschau“ (FR). Als sich die FR damals nicht nur inhaltlich sondern, mit der Umstellung auf das Tabloid-Format, auch äußerlich neu gestaltete, fragte der Feuilleton-Chef Christian Schlüter im April beim Hamburger Zeichner Sascha Hommer an, ob er bereit wäre, einen fortlaufenden Strip für die „Rundschau“ zu gestalten. Zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Jan-Frederik Bandel entwickelten die beiden schließlich ein Konzept und begannen mit der Arbeit. Da der Strip eine breite und vielschichtige Öffentlichkeit ansprechen sollte, erschien es den beiden Machern als angebracht, die Geschichte so kryptisch und zitathaft wie möglich zu gestalten – nicht zuletzt, weil er sich auf der Rätselseite befindet, und dem Leser auch auf diese Weise immer wieder vor kleine Denkaufgaben stellt. Dabei ist Sascha Hommers Zeichenstil durchweg klar gehalten und die Figuren wirken auf eigene Weise kindlich, denn die Köpfe sind im Verhältnis zum Körper überproportional groß. Die Hintergründe bearbeitet er meist detailarm. Entgegen seinen bisher in schwarz-weiß erschienenen Comics kommt diesmal jedoch Farbe hinzu, die ausdrucksstark ist, aber nie grell oder aufdringlich wirkt. Dem täglichen Erscheinen in der FR ist die Form des Comics geschuldet. Auf den Seiten 142 Seiten finden sich jeweils drei Strips mit drei bis vier Panels untereinander.
Hommer und Bandel zünden ein wahres Feuerwerk an Zitaten aus Hoch-, Pop- und Trash-Kultur, Politik, Boulevard und Alltagstalk – und das alles nur, weil der vorlaute und neunmalkluge Gustav und seine pubertierende Schwester Niffi die Schließzeiten des Museums nicht beachtet haben, und sie der Wärter aufgrund der Dienstvorschriften nicht mehr aus dem Museum heraus lassen kann.
Allmählich realisieren Gustav und Niffi, dass sie so schnell nicht mehr aus dem Museum herauskommen werden, und sie beginnen, dessen Räumlichkeiten zu erkunden. Je tiefer sie in das Museum eindringen, desto deutlicher wird ihnen, dass es eine enorme Größe hat. Es beherbergt nicht nur klassische Ausstellungsräume (zum Beispiel zu biblischen Plagen oder Typographie) sondern auch allerhand Obskuritäten. Es wird klar, dass sich hier ganz eigene Welten auftun, denn im Museum dringen sie bis zum Mittelpunkt der Erde vor, lassen sich von Fidel Castro Kuba zeigen, werden in fremden Königreichen gefangen genommen und wohnen Gerichtsverhandlungen bei (die Geschworenen in einem Prozess: Charles Manson, Ernst Jünger, eine Raupe, zwei Flamingos und Kermit, der Frosch). Schließlich müssen sich Niffi, Gustav und vor allem auch der Leser die Frage stellen, wo man eigentlich angekommen ist? Ist das noch ein Museum? Oder ist es eine Traumwelt? In einem Interview mit der „Comixene“ machen die Autoren deutlich, dass es für sie in diesem Punkt keine Unklarheiten gibt. Niffi und Gustav sind ganz klar in einem Museum. Nur was das Museum an sich ist, müsse hinterfragt werden. Vielleicht sind wir ja sogar alle ständig im Museum, zitieren uns selbst und machen den Alltag zum Exponat?!
Mit „Im Museum“ haben Hommer und Bandel postmodernen Zitat-Pop und Comic miteinander verbunden. Die Tagesstrips als Sammelband zu veröffentlichen hat dabei aber sowohl Vor- als auch Nachteile. Das tägliche Erscheinen von drei bis vier Panels und ein eher loser Zusammenhang für den Leser, der den Strip nicht immer liest, lenken das Augenmerk auf ein alleinstehendes Zitat und den kurzen Pointenschlag. Als Sammlung in einer fortlaufenden Geschichte wirken diese Versatzstücke und Pointen teilweise etwas zu sehr verdichtet und können den Leser schnell etwas überfordern. Gerade wenn man nicht in jeglicher kulturellen Spielart bewandert ist und gerade keine große Lust hat, sich via „Google“ und „Wikipedia“ den Witz zu erschließen.
Der Comic wird bestimmt nicht jedem gefallen, dafür ist er schlicht zu speziell und spricht dezidiert einen popkulturellen Humor und das Rätselraten um Zitate an. Wer jedoch Spaß an derartiger Spielerei hat, wird seine helle Freude haben.
Sascha Hommer & Jan-Frederik Bandel:
Im Museum – Die Treppe zum Himmel
Reprodukt 2008
142 Seiten, farbig, 20,2 x 24 cm,
Klappenbroschur, €18.00
» Reprodukt
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Leseproben aus dem besprochenen Band:
Niffi und ihr Bruder Gustav haben leider nicht auf die Schließzeiten geachtet. Der Museumswärter kann sie nun aufgrund seiner Dienstvorschriften nicht mehr heraus lassen.
Schon bald wird klar, dass sie sich in einem Museum befinden, dessen Grenzen endlos scheinen. Doch ist es wirklich eine Traumwelt?
In Hommers und Bandels Museum lässt sich vieles finden – das Museum kann alles sein. Ob die Sanitäranlagen zur Ausstellung gehören oder zum Toilettengang einladen, ist deshalb nicht mehr genau zu klären.