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1. November 2009
Sven Jachmann
für satt.org

  Hermann, Greg: Comanche: Red Dust
Hermann (Zeichnungen), Greg (Text): Comanche Band 1: Red Dust
Aus dem Französischen von Horst Gotta
Splitter Verlag, Bielefeld 2009
72 S., 15, 80 Euro
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Hermann / Greg:
Comanche: Red Dust

Auftakt zu einem Western-Klassiker: Der erste Auftritt von Cowboy Red Dust ist zwar heroisch, aber nicht sonderlich glamourös. Inmitten der Prärie hält er sein Gewehr zum Gruß erhoben, um eine Pferdekutsche zu stoppen. Der Kutscher will ihn mitnehmen, sein Mitfahrer, ein professioneller Killer, hat jedoch andere Pläne. Er droht den Kutscher zu erschießen und ihn für die weitere Strecke durch Red Dust zu ersetzen. Auf dem letzten Panel der zweiten Seite fordert ihn Red Dust zum Duell, auf dem letzten Panel der dritten Seite stürzt der Killer getroffen zu Boden. Was frühzeitig ein furioses Strukturprinzip erahnen lässt, führt zur antiklimaktischen und unglamourösen Wende: Auf dem letzten Panel der vierten Seite verscharrt Red Dust den Leichnam direkt am Wegesrand. Kein Westerner des alten Schlags müsste sich mit derartig profanen Aufgaben aufhalten. Er wüsste aber mit der Waffe ebenbürtig umzugehen, so wie ihm sein Gerechtigkeitsempfinden diktierte, wann er sie benutzen muss. Und es ist dieses Gerechtigkeitsempfinden, das Red Dust dazu veranlassen wird, fortan als Beschützer ihrer allseits bedrohten Ranch seine Dienste der jungen, titelgebenden Comanche zu überantworten.

1969 startete die Reihe des Teams Greg und Hermann in der 50. Ausgabe der Comiczeitschrift „Tintin“ und brachte es in dieser Besetzung auf insgesamt 10 Alben (denen, nachdem Hermann sich an seine eigene Serie „Jeremiah“ begab, fünf weitere mit dem Zeichner Rouge folgen sollten; an ihrem rapide einsetzenden qualitativen Aderlass lässt sich indes nachvollziehen, wie stark das visuelle Erzähltalent Hermanns „Comanche“ bestimmte) und auch wenn sie für ein jugendliches, männliches Klientel konzipiert war, hinterließ sie doch Spuren im Genregerüst. Das liegt vordergründig an der Habitualisierung der Red Dust-Figur, mehr aber noch an der Stilisierung des Settings durch die narrativen Mittel, auch wenn sie ambivalent bleiben. Zwar ist Red Dust mit den typischen Eigenschaften des Helden ausgestattet, bleibt als character jedoch durchgehend asexuell, wie auch seine Physiognomie keine charismatischen Züge trägt. Sein Handeln bleibt reaktiv (wie auch das aller anderen Figuren), seine moralische Haltung ist einzig aus seinen Taten ablesbar. Der klassische Abenteurer übt sich in sexueller Askese, um seine Autonomie und Handlungsfähigkeit nicht von den „Gefahren“ der weiblichen Lust angetastet zu wissen. Er bewegt sich aber zugleich in einer degenerierten Welt, für deren Korrektur er verantwortlich ist, und hier zeugt bereits Hermanns äußerst filmisches Erzählen, dass er den Sphären des Italowesterns viel näher steht. Die schmutzigen Farben, die zerfurchten Gesichter, die ungewöhnlichen Außenseiter-Figuren, die die Triple Six-Farm Comanches bewohnen, die Allgegenwart von Korruption, Selbstjustiz, organisiertem Verbrechen und institutionalisierter Willkür, nichts davon bewahrt den Mythos des guten Westerns, sondern reiht sich ein in die Ankündigung einer seinen Anarchismus zähmenden Urbanität. Transzendiert wird hier allerdings nichts, an den Konventionen des Gerüsts allenfalls gekratzt. „Comanche“ ist vielmehr beeindruckendes Dokument des gescheiterten Versuchs seine Entromantisierung mit den Rückgriff auf Tradition anzukurbeln und deswegen amerikanischer als es ein Leone je sein konnte.

Hermann, Greg: Comanche: Red Dust

Die zehn Hermann-Bände erscheinen nun bei Splitter in einer perfekten Präsentation: restauriert, in edler Aufmachung mit Spotlack-Cover, eingehefteter Grafik und vor allem mit umfangreichen Bonusmaterial versehen (im vorliegenden Band wäre dies die Kurzgeschichte „Erinnerst du dich, Kentucky?“ und ein Rückblick auf die Produktionsgeschichte der ersten Story von „Reddition“-Herausgeber Volker Hamann) bekommt man die wohl ultimative Edition geboten, und das halte ich angesichts eines Segments, in dem noch vor einigen Jahren wesentlich lieblosere Produktionen zu Luxusausgaben deklariert und darob für horrende Summen an obskure Sammler verhökert wurden, für eine absolut bemerkens- wie lobenswerte Entwicklung.