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5. März 2012
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Andreas Keutgen
für satt.org |
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Der ewige KriegNur durch Raumanzüge vor dem tödlichen Vakuum geschützt, treibt eine Schar gesichtsloser Soldaten in die Weiten der kosmischen Kälte und Dunkelheit. Viele sind bereits nur noch durch die Lichter an ihren Anzügen auszumachen, andere driften noch nah genug im Bild, um als Menschen erkennbar zu sein. Im Hintergrund ein kleiner Ausschnitt eines riesigen Raumschiffs, dessen Außenhülle durch ein monströses Loch gezeichnet ist. Schnell wird klar, keiner der Abgebildeten wird dieses Ereignis überleben, viele hat es bereits und wird es auch in Zukunft noch ereilen, denn Der ewige Krieg lässt wenig Raum für Optimismus. Hinter dem eindrucksvollen Hardcover verbirgt sich die Comicadaption eines Science-Fiction-Klassikers aus dem Jahre 1975. Damals versuchte Joe Haldeman seine Erlebnisse aus dem Vietnamkrieg in Romanform zu verarbeiten. 1988 erschien dann eine Comicadaption durch den Zeichner Marvano, die kurze Zeit später auch auf Deutsch erschien. Zwanzig Jahre später erscheint nun eine Gesamtausgabe. Worum geht es? Der Leser erlebt die gesamte Geschichte durch die Augen des frisch gebackenen Soldaten Mandella, welcher zu seiner Ausbildung in einen Krieg neuartiger Dimensionen aufbricht. Kaum vorbereitet auf die Schrecken, die ihn erwarten, tritt Mandella in einen Zyklus ein, der das Schicksal der menschlichen Zivilisation für ein ganzes Millennium zeichnen wird. Der grundlegende Aufhänger ist die neu entwickelte Technik mittels Kollapsensprüngen schneller als das Licht zu reisen, was eine Kolonialisierung des Weltraums nach sich zieht. Ein Trupp Kolonisten wurde nun scheinbar von einem außerirdischen Raumschiff abgeschossen, woraufhin die Stimmen nach Vergeltung so laut werden, dass man beschließt, in einen Konflikt zu treten. Doch die kurzer Hand Tauren (basierend auf dem Sternbild in dem der mutmaßliche Angriff auf das Kolonistenschiff stattfand) genannten Feinde sind nicht mehr als ein Phantom und so jagen die zwangsrekrutierten Elitesoldaten fern ab der Erde durch die Weiten des Alls, kommen Haufenweise durch Unfälle und die unmenschlichen Ausbildungsverhältnisse ums Leben, nur um schließlich unter Einfluss einer Gehirnwäsche einen Trupp waffenloser Aliens zu ermorden. Bei ihrer Rückkehr ist die Zeit auf der Erde deutlich schneller vergangen als an Bord ihres Raumschiffs, da sie während ihrer Überlichtflüge quasi nicht gealtert sind. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die Geschichte packend und narrativ anspruchsvoll inszeniert, doch der Zenit ist noch nicht erreicht, denn nun beginnt die ‚wirkliche‘ Science-Fiction. Mandella, der als einer von wenigen bis zu diesem Zeitpunkt überlebt hat, findet sich im Leben auf der für ihn völlig neuen Erde nicht zurecht und nimmt zwangsläufig seinen Beruf als Soldat wieder auf, er reist von Planet zu Planet, von Schlacht zu Schlacht und immer muss er sich nicht nur den Schrecken eines scheinbar ziellosen Kriegs und gesichtslosen Feindes stellen, sondern auch ertragen, wie die Uhr der menschlichen Zivilisation voranschreitet. Wo und wie die Reise endet, soll an dieser Stelle natürlich noch nicht verraten werden, aber spannend bleibt es bis zum Schluss. Die gesamte Geschichte kann generell nur als äußerst gelungen beschrieben werden. Durch die Augen Mandellas erlebt der Leser sehr nah, wie sich zwar ein gewaltiger Wandel innerhalb der menschlichen Zivilisation vollzieht, andererseits aber die Folgen des Krieges ihren Schrecken nach wie vor behalten und ihm lediglich ein neues Gesicht geben. Die geschilderten Veränderungen innerhalb der menschlichen Zivilisation und die Kriegsereignisse sind äußerst glaubhaft aufgebaut. Immer wieder wird die ziellose Natur der Kriegsführung gegen die Tauren deutlich, Missionen, zu denen Mandella aufbricht, entpuppen sich bei seiner Rückkehr als völlig sinnlos und immer wenn es zu echten Auseinandersetzungen kommt, ist vom Feind kaum etwas zu sehen – die von den Soldaten angerichtete Zerstörung dafür aber umso verheerender. Ein Gefühl von Triumph oder Patriotismus für die Seite der Menschen kommt nicht auf, dafür wachsen die Zweifel an der Sinnhaftigkeit hinter den Kriegszügen schnell bis zu einer absoluten Ablehnung gegen diese. Allein schon wegen der konstruierten Herbeiführung des Konflikts, Haldemanns Text scheint an solchen Stellen rückblickend wie eine Vision auf einen Krieg, der wegen vermeintlicher ‚Massenvernichtungswaffen‘ geführt wurde. Die Zeichnungen sind natürlich ein Spiegel ihrer Zeit. Photoshop gab es noch nicht und das sieht man den Bildern auch an. Künstlerisch bedeutet dies allerdings keinerlei Abwertung, im Gegenteil, es geht ein eigenwilliger Charme von den realistischen Zeichnungen und ihren Farben aus. Alles ist etwas matter, als man es in neueren Publikationen gewöhnt ist und das unterstreicht die triste, von zielloser Gewalt geprägte, Handlung sehr treffend. Auch beim Design der Raumschiffe und Fahrzeuge wurde mit Fingerspitzengefühl gearbeitet und die vielen Details, die in Außenhüllen und Co eingebaut wurden, vermitteln einen sehr plastischen Eindruck. Fazit: Der ewige Krieg ist eine wirklich lesenswerte Comicadaption eines klassischen Science-Fiction-Romans, die sich jeder Liebhaber dieses Genres nicht entgehen lassen sollte. Die interessanten Zukunftsvisionen sind glaubhaft mit einer nach wie vor aktuellen Gesellschaftskritik verbunden und in optisch ansprechender, aber natürlich durch ihre Entstehungszeit geprägten, Form dargestellt. Der Genuss des Lesens erstreckt sich durch die gegebenen Denkanstöße durchaus über die mehr als 160 Seiten hinaus. Briefe und Tagebuchauszüge von Joe Haldeman und Mark Marvano geben zusätzlich tiefere Einblicke in die Entstehungsprozesse von Roman und Comic. Dazu kommt eine sehr gute materielle Verarbeitung, so dass die knapp 30 Euro nicht nur für den Lesegenuss investiert wurden, sondern auch die Sammlung im heimischen Regal um ein schönes Stück erweitern.
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