Mikumo Gakuto (Autor), Chako Abeno (Zeichnerin), G YUSUKE (Character-Design): Bibliotheca Mystica Matthias Wissnet und Josef Shanel (Übersetzer) Egmont Manga & Anime
Band 1: 196 S., € 6,99 »Verlag »amazon
Bevor das renommierte Studio Gainax – bekannt für moderne Klassiker wie Shin Seiki Evangelion und Tengen Toppa Gurren Lagann – sich einer (kontrovers diskutierten) Anime-Adaption der Geschichte annahm, war der Light Novel Dantalian no Shoka, geschrieben von Gakuto Mikumo und illustriert von G YUSUKE, wohl insbesondere im Westen lediglich ein Geheimtipp. Doch weder Serie noch Ursprungsmedium haben es bisher nach Deutschland geschafft; vielmehr ist es die Manga-Adaption aus der Feder der bereits durch Chrome Breaker in Deutschland bekannten Chako Abeno, die es – unter einem gänzlich anderen Namen – auf den deutschen Markt geschafft hat. Auch unter Berücksichtigung vergleichbarer Medienverbünde und Light Novel-Adaptionen zweifelhafter Qualität, hat sich die Rezensentin mit geringen Erwartungen an die Lektüre begeben – und wurde sowohl positiv als auch negativ überrascht.
Wie es nicht selten im Manga üblich ist, verzichtet die Zeichnerin auf eine umfangreiche Einführung in die Geschichte oder Vorstellungen der Figuren, sondern wirft die LeserInnen unmittelbar ins Handlungsgeschehen. Kurz zur Vorgeschichte, die erst im letzten Kapitel des ersten Bandes sowie dem zweiten Band detailliert erläutert wird: Der junge Brite Hugh Anthony Disward, genannt Huey, Kriegsveteran des Ersten Weltkrieges, erbt von seinem Großvater ein riesiges Anwesen mit einer umfangreichen Bibliothek, der legendären Bibliotheca Mystica de Dantalian, und übernimmt die Rolle des sogenannten Schlüsselwächters. In der Bibliothek trifft er auf ein junges Mädchen namens Dalian, die als „Schwarze Bücherprinzessin“ bezeichnet wird. Die Aufgabe der beiden ist es von nun an, gefährliche, dämonische und vor allem mörderische Bücher, deren Kräfte von Menschen mit bösartigen Intentionen missbraucht werden, zu suchen und zu bannen, sodass sie kein Unheil mehr anrichten können.
Während die Geschichte zunächst nicht allzu kreativ anmutet, so ist das Besondere an Bibliotheca Mystica sicherlich das Setting und dessen visuelle Umsetzung. Abeno versteht es, mit Hilfe ihrer detaillierten Zeichnungen von viktorianisch anmutenden, riesigen Villen und Schlössern, Friedhöfen und Schädeln, Raben und grausamen Morden mit blutigen Sequenzen eine dunkle Atmosphäre zu inszenieren, die ihr Werk als eine Art visuelle gothic novel erscheinen lassen. Dalian ist gleichermaßen stets in klassischer Gothic-Lolita-Kleidung mit pompösen, detailliert ausgearbeiteten Kleider zu sehen. Vor allem Abenos Zeichenstil – sowohl in Bezug auf ihre Figuren als auch die Hintergründe – ist einer der wohl positivsten Aspekte des Mangas.
Dass der Klappentext eine „Stephen-King-Atmosphäre“ verspricht, ist sicherlich keine zufällig gewählte Analogie: Erinnert doch das erste Kapitel, in welchem ein Autor von einem manischen Fan gefangen gehalten (und immer wieder getötet und wieder zum Leben erweckt) wird, weil er nicht das für sie „perfekte“ Ende für seine Romanreihe schreibt, sehr eindeutig an Kings Misery. Gleichermaßen schlägt Abeno mit dem Ausgang der Geschichte eine eindeutige Parallele zur gegenwärtigen Fanfiction- und insbesondere der Boys‘-Love- bzw. Slash-Community, indem sie sowohl dem wahnsinnigen weiblichen Fan als auch Dalian selbst die Präferenz für ein gleichgeschlechtliches männliches Paar zuschreibt und Dalian sich schließlich gar dazu entschließt, ihr eigenes, gewünschtes Ende zu verfassen. Die Bücherliebe und die zahlreichen intertextuellen Anspielungen (so etwa die aus den Aufklappbüchern herausspringenden Figuren im zweiten Band) innerhalb der verschiedenen Kapitel sind ebenfalls ein Aspekt, der das Werk zu einer spannenden Lektüre macht.
Ermüdend sind wiederum vor allem die zahlreichen Stereotypen, die der Manga bedient: Sei es Dalians Dasein als tsundere, der nicht gerade subtil integrierte fanservice für die männlichen Adressaten oder aber die Methode zur Bekämpfung der „bösen“ Bücher: Um den Bann zu aktivieren, muss Huey mit einem großen Schlüssel ein sich auf Dalians Brust befindendliches Schloss aufschließen – eine nicht gerade subtile sexuelle Metapher, die sicherlich nicht nur zufällig an vergleichbare Methoden in CLAMPs Chobits erinnert. Es ist zudem wohl keine Überraschung, dass zwischen Dalian und Huey – so die Vermutung – noch eine Form der quasi-romantischen Beziehung aufgebaut wird. Da die Charaktere trotz dieser Klischees einigermaßen sympathisch wirken, sei dem Manga dies verziehen.
Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die Reihe mit insgesamt fünf Bänden abgeschlossen sein wird – für einen Manga ein überschaubarer Umfang, wenngleich er doch darauf schließen lässt, dass diese fünf Bände nicht den gesamten Verlauf der achtbändigen Light Novel-Reihe umfassen werden. Dennoch zeigt die Lektüre der ersten beiden Bände, dass Bibliotheca Mystica mehr ist, als der Versuch, lediglich Profit aus einem weiteren Medienverbund zu schlagen: Im Vergleich zur Anime-Adaption ist der Abenos Manga weitaus düsterer und seriöser – und vor allem, hierauf sei explizit und warnend hingewiesen, sehr viel blutiger und grausamer. Wer mit detailliert visuell inszenierter Gewalt keine Probleme hat, das Genre Mystery und noch dazu historisch-britische Settings und vor allem Bücher mag – dem sei der Manga ans Herz gelegt.