Das Glücksprinzip (Pay it forward) USA 2000
Regie: Mimi Leder
Buch: Leslie Dixon
Kamera: Oliver Stapleton
Musik: Thomas Newman
Darsteller: Kevin Spacey, Helen Hunt, Haley Joel Osment, Jay Mohr, Jon Bon Jovi, Angie Dickinson
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Im "Tip", dem Berliner Stadtmagazin, benutzt man eine Klassifizierung für Filme, Platten, Theaterstücke etc., die wesentlich überzeugender als die üblichen ein bis fünf Sterne u. ä. sind. Wer darüber mehr erfahren will, dürfte eine ziemlich genaue Vorstellung haben, in welcher Zeitschrift er oder sie darüber lesen kann.
Die Benotung "zwiespältig" scheint wie geschaffen für diesen Film zu sein. Zählen wir zum Beispiel die offensichtlichen negativen Kreterien auf: eine etwas einfallslose Inszenierung wie aus dem Lehrbuch (Mimi Leder wurde vor allem durch den frühen Dreamworks-Film "Project Peacemaker" oder so ähnlich bekannt, den ich sogar schon im Fernsehen verpasst habe, weil er mir etwa so interessant erscheint wie "Days of Thunder"), ein extrem aufdringlicher, herkömmlicher Souundtrack (der aber dennoch mitunter das bewirkt, wozu er geschrieben wurde), eine Besetzung, die ziemlich durchschaubar formelhaft erscheint, eine nichts sehr überzeugende Story-Prämisse. Jetzt nur mal so zum warmwerden …
Meine Erwartungen waren also sehr zurückgeschraubt, es war durchaus im Rahmen des Möglichen, daß dies der erste Film des laufenden Programms hätte werden können, bei dem mir selbst der ermäßigte Kinoeintritt als rausgeschmissenes Geld hätte erscheinen können.
Doch dann beginnt der Film mit einer Szene, die ich nicht erwartet hatte, mit dem ziemlich penetranten und verdient erfolglosen Journalisten Chris (Jay Mohr, wäre nett, wenn mich mal jemad aufklären könnte, warum mir dessen Gesicht so bekannt vorkam …), der sich bei einem Polizeieinsatz anläßlich einer Geiselnahme genau so verhält, wie man es von Medienlumpen erwarten könnte. Und die Geschichte vom "Glücksprinzip", die jeder aus dem Trailer schon kennt, entwickelt sich plötzlich rückwärts, vom Reporter her, der der Sache auf den Grund gehen will, der den Ursprung einer "Bewegung" ergründen will.
Dann gibt es die Schrifteinblendung "Vier Monate früher", und im weiteren Verlauf wird auf die zwar auf Anhieb nachvollziehbare, aber nicht übliche Chronologie der Geschehnisse nicht weiter eingegangen. Die Geschichte entwickelt sich von zwei Seiten aus, und der Film erhält dadurch eine Spannung, die meine Erwartungen übertraf. Es gibt noch mehrere solche Annäherungen an Aspekte der Story von verschiedenen Seiten, wo der Zuschauer erwartet oder auch nicht, daß früher oder später alles zusammenkommt, am offensichtlichsten sicher in der Love Story zwischen Kevin Spacey und Helen Hunt, deren Darstellungen ebenso wie die ersten vier Fünftel des Drehbuchs aus diesem Film ein solides kleines Juwel hätten machen können.
Doch ausgerechnet das, was an diesem Film so bemerkenswert erscheint, die narrative Struktur des Drehbuchs, wird ihm in anderer Hinsicht zum Verhängnis, denn während es durchaus spannend ist, nach und nach zu erfahren, wie die Puzzleteile zusammenpassen, ist die Closure dann doch zu aufgesetzt, in den letzten Szenen des Films passt plötzlich soviel zusammen, daß spätestens dann die mitunter hollywoodtypische Schmalzigkeit und pathetische "BEDEUTUNG" der Geschichte alle leisen Momente, alle sprachliche Subtilität zuvor zunichte macht. Kurzum, man verläßt das Kino ziemlich verärgert, weil die cineastische Torte, die zuvor so eine interessante architektonische Konstruktion aufwies, einfach unter mehreren Schichten von Zuckerguß und Bitterschokolade begraben wird. Zwar ist die letztendliche Begegnung zweier Charaktere so gar nicht so, wie man erwartet hätte, aber spätestens, wenn bestimmte Elemente der Story (die ich hier mal mysteriös als "Kerze" oder "Mut" umschreiben will) in ihrer Aufgesetztheit alles kaputtmachen, wenn aus den Personen, die einem während des Films ans Herz gewachsen waren, doch wieder Hollywoodschablonen werden.
Ich habe schon zuviel verraten, und werde mit dieser Rezension wohl auch kaum jemanden ins Kino locken, aber jemand, der das Kino verläßt, wenn der Reporter der Geschichte fast auf den Grund gegangen ist, sich die letztendliche Auflösung einfach entgehen läßt, zwanzig Minuten vor Schluß dem Film ein offenes Ende aufdrückt, indem er oder sie wie Selma vorzeitig das Kino verläßt, dem wird ein bemerkenswertes Kinoerlebnis widerfahren. Aber da man dann ja doch bis zum Ende sitzenbleibt und nur noch fassungslos den Kopf schüttelt darüber, wie man einen Film kaputtmachen kann, wird dies wohl jedem Leser verwehrt bleiben.
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