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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




Juli 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org


Unschuld ohne Schutz
Nevinost bez zastite
Jugoslawien 1968

Buch
und Regie:
Dusan Makavejev

Kamera:
Branko Perak

Darsteller:
Dragoljub Aleksic, Ana Milosavljevic, Beba Jovanovic, Bratoljub Gligorijevic, Ivan Zirkovic



Unschuld ohne Schutz
Nevinost bez zastite




Ein Film, den man kaum beschreiben kann, was mich natürlich erst recht dazu anspornt. Unabhängig davon, wie wahrheitsgetreu dem Zuschauer zumindest Passagen während der Rezeption vorkommen, erstmal die Hintergrundgeschichte: Der Kraftmensch und Akrobat Aleksej, eine Art Mischung aus Evel Knievel und Hulk Hogan, kommt bereits in den dreißiger Jahren auf die Idee, seine spektakulären Stunts filmisch festzuhalten. Im Jahr 1942 kommt er dann auf die Idee, um diese Aufnahmen herum einen Film zu konstruieren, eine dramatische Liebesgeschichte. Da der Film während der deutschen Besatzungszeit entstand, wird Aleksej später die filmhistorische Bedeutung eines frühen serbischen Tonfilms abgesprochen, er wird sogar als Kollaborateur angeklagt, eine Kopie des trotzdem sehr erfolgreichen Films wird irgendwo vergraben und erweist sich später als unversehrt, woraufhin Dusan Makavejev dann aus diesem Film und diversen Interviews mit den noch lebenden Mitwirkenden seinen Film des gleichen Titels erstellt.

"Filmhistorisch bedeutend" … Sicher, ungefähr so bedeutend wie "Attack of the Killer Tomatoes". Der Film von 1942, den wir in kleinen Schnipseln nach und nach zu sehen bekommen, ist ein wahres Erlebnis. Animationseinlagen wie aus dem Kindergarten, klar zu erkennende Intentionen bei kurzen "Zwischenschnitten" während der spektakulären Auftritte (Detailaufnahmen, die ansonsten ziemlich getürkte Balanceakte dramatisieren, weil offensichtlich zusammengeklebte Einräder hier sehr gefährlich in "schwindelnder Höhe" einander zu entgleiten scheinen), sehr unfähige Schauspieler, handkolorierte Teppich, die gut inszeniert sind, während die Köpfe der Darsteller oberhalb der Stirn abgeschnitten werden, immer wieder auftauchende innendekorationen, so daß man glaubt, der ganze Film sei in einem Zimmer aufgenommen, und zum Abschluß eine versuchte Vergewaltigung mit anschließender Schlägerei, bei der der Unterlegene angeblich danach eine Woche im Krankenhaus lag, weil alles so "echt" wirken sollte. Ach ja, und markerschütternde Gesangseinlagen!!!

Aber durch die Einbettung in die Dokumentarhandlung, die einen nur an Dokumentarfilme wie "Zelig" und "This is Spinal Tap" erinnert, wird das Ganze noch skurriler. Der alte Aleksej zeigt uns, daß er immer noch Eisen zerbeißen kann, die böse Stiefmutter aus dem Film singt uns leider auch was vor, und in die Vergewaltigungsszene hineingeschnitten deutsches Propagandamaterial, wodurch die Pfeile auf der Landkarte die Attacken auf ein unschuldiges Land in einen sexuellen Kontext bringen.

Manche Momente dieses Films werden noch lange bei mir bleiben, etwa das rote Blut im Schwarz-Weiß-Film, Aleksejs Frisur, die Berichte von seinen Heldentaten (es gibt sogar einen authentischen Song, der seinen Status als "Nationalheld" thematisiert), die nicht sehr subtile Werbung für sein "filmhistorisches Meisterwerk", all dies erinnert mich an einen anderen von der Filmgeschichte vernachlässigten Meisterregisseur, nämlich Ed Wood.