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Juli 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org


Shadow of the Vampire
GB/USA 2000

Shadow of the Vampire

Regie:
E. Elias Merhige

Buch:
Steven Katz

Kamera:
Lou Bogue

Schnitt:
Chris Wyatt

Musik:
Dan Jones

Darsteller:
John Malkovich (Friedrich Wilhelm Murnau/Regisseur), Willem Dafoe (Max Schreck/Nosferatu), Cary Elwes (Fritz Arno Wagner/[2.]Kameramann), John Aden Gillet (Hendrik Galeen/Autor), Eddie Izzard (Gustav von Wangenheim/Hutter), Udo Kier (Albin Grau/"Produzent"), Catherine McCormack (Greta Schröder-Matray/Ellen)



Die Idee dieses Films ist schnell erzählt: F. W. Murnau war doch nicht so ein genialer Regisseur, wie ich immer dachte, denn Max Schreck, der Darsteller des Nosferatu, war wirklich ein Vampir. Kein Wunder also, daß die Atmosphäre in "Nosferatu" noch nach achtzig Jahren die Zuschauer in Atem hält.

In diesem Film sieht man auch Ausschnitte, die direkt aus dem Stummfilm zu stammen scheinen, doch da unsereins ja weiß, daß der Film seinerzeit nicht im Breitwandformat entstand, kann man sich nur wundern, wie gut man diese Aufnahmen nachgestellt hat. Doch dann macht man bereits einen Fehler, denn wenn man an "Shadow of the Vampire" seinen Spaß haben will, sollte man sein Filmwissen einfach für anderthalb Stunden vergessen, denn wenn man darüber nachdenkt, wie unbekannt "der berühmte Regisseur" Eisenstein 1919 in Deutschland noch gewesen sein wird (sein Debütfilm entstand fünf Jahre später), dann leidet der Film etwas.

Aber ich ließ mich auf diese "What if"-Prämisse ein und freute mich wie ein Honigkuchenpferd, wenn der Kameramann nach einer Woche ersetzt werden muß, der Autor vom Hauptdarsteller für überflüssig erklärt wird oder Schreck es gar nicht erwarten kann, die Schlußszene im Kasten zu haben, denn Murnau hat ihm erlaubt, danach die Hauptdarstellerin zu vernaschen …

Wenn man bedenkt, wie wenig mir Willem Dafoe bedeutet (selbst in seinen besten Filmen wie Ferraras "Snake Eyes", Scorseses "The Last Temptation of Christ", Schraders "The Light Sleeper" oder Lynchs "Wild at Heart" habe ich ihn eigentlich mehr "ertragen"), ist es schon ein immenser Verdienst, daß ich bis kurz vor Ende des Films immer auf der Seite des Vampirs war. Es gibt nicht viele Rollen, bei denen man so ungehemmt übertreiben kann, und den Zuschauer damit verzückt. Warum Benicio Del Toro für seine unspektakuläre Rolle in "Traffic" Dafoe den Oscar abluchsen konnte, ist mir ein Rätsel. Wie er mit den langen Fingernägeln voller Erwartung garstige Geräusche macht, wie er ganz nebenbei einer Fledermaus den Kopf abbeißt, nicht nur Deutschland braucht mehr Schauspieler wie Schreck, die Welt braucht mehr Schauspieler wie Dafoe. Und Rollen, die für ihn dermaßen geschaffen sind.

Aber auch Malkovich brilliert (wie üblich), Udo Kier begeisterte mich erstmals (man sollte diesen Film übrigens gerade als Deutscher im amerikanischen Original sehen, jeder Satz wird durch den saublöden verlogenen deutschen Akzent noch viel witziger), und auch Cary Elwes, der ja schon im Coppola-Film zum selben Buch mitspielte, hat das Schauspielern noch nicht verlernt.

Es ist auch bemerkenswert, wie ein so europäisch-kunstvoll inszenierter Film mit Darstellern, die sonst nur Nebenrollen als Bösewichte bekommen, ein Film, in dessen düsterer Atmosphäre man oftmals nur schemenhafte Lichter erkennen kann, tausendmal witziger ist als die (denkbare) farbenfrohe Komödie, bei der Robin Williams den Murnau und Jim Carrey den Schreck gespielt hätten, niemand zu Schaden gekommen wäre, und am Schluß die von Drew Barrymore oder Winona Ryder gespielte Hauptdarstellerin den Kameramann Brad Pitt geheiratet hätte. Produzent Nicolas Cage behauptet, "Shadow of the Vampire" wäre ohne Kompromisse entstanden …

Und spätestens am Ende des Films glaubt man ihm das. Denn es wäre wirklich schwierig geworden, diesen Film zu einem glaubhaften und filmhistorisch nachvollziehbaren Ende zu bringen. Doch wer will das denn auch? Stattdessen wirft das Ende philosophische Fragen nach der Existenz des Lichts, des Lebens, des Films auf, Realität existiert nur vor der Kamera, der Tod des Filmmonsters ist ein im Projektor durchbrennendes Einzelbild.

Doch eine der interessantesten Fragen stellte sich dann erst im Abspann, wo man erfuhr, daß ein "First Assistant Director" nur in der ersten Woche dem Film beiwohnte. Ist Willem Dafoe womöglich auch nicht ein so guter Schauspieler, sondern "nur" ein Vampir?