Mein langsames Leben
Eigentlich funktioniert dieser Film ähnlich wie “
Anita, der Comic, den ich diesen Monat besprochen habe. Oder wie “Freunde, “Fin Aout, Debut Septembre oder “
Rosetta, allesamt Filme, die mir sehr gefallen haben. Das Prinzip ist es, nicht eine durchkonstruierte Handlung zu präsentieren, sondern dem Zuschauer Häppchen zu servieren, die dieser dann selbst wie ein Puzzle zusammensetzen muß, um den narrativen Faden des Films zu entdecken. Ellipsen, unmotiviert erscheinende Wechsel der Betrachtungsweise und ähnliche Sperenzchen fordern den Zuschauer, und wer sich gerne fordern läßt, wird seinen Spaß dabei haben.
Bei “Mein langsames Leben hält sich der “Spaß in Grenzen. Die Reaktion einiger anderer Zuschauer fand ich zwar übertrieben (bei einem Gespräch, in dem es indirekt um Abtreibung ging, verließen die ersten Kinogänger den Saal, beim Besuch des todkranken Vaters die nächsten, und als irgendwann im Dialog gefragt wurde, ob jemand sich langweile, war die Resonanz groß), aber auch als Zuschauer, der durchaus auch bedrückende, experimentelle Filme zu schätzen weiß, konnte mich dieser Streifen nur bis etwa zur Hälfte des Films befriedigen. Das Problem lag ähnlich wie bei “
Finlandia an der Kälte des Films, die irgendwann überhand nahm, ohne daß ich hier den Eindruck hatte, es läge an der Intention der Filmemacherin.
“Mein langsames Leben beginnt mit einer Unterhaltung in einem Kaffee. Lange Einstellungen, Dialoge, die wie aus dem Leben zu kommen scheinen, schön fotografiert mit verschwommenen Grünflächen hinter dem Fenster, und eine detailreiche Tonspur tat auch einiges dazu, daß ich dem Film zunächst sehr positiv gegenüberstand. Gegen Ende des Films gibt es noch einmal eine Cafe-Szene, und diesmal stimmt gar nichts. Die Dialoge wirken gestelzt, man kann sich einfach nicht vorstellen, daß zwei Unbekannte trotz so vieler dräuender Kommunikationspausen immer wieder mit lapidarem Geplänkel aufeinander zugehen.
Viele Szenen des Films funktionieren einfach nicht. Da ist zum Beispiel das kleine Mädchen, daß seine Erzieherin auffordert, doch zur Musik des Erlkönigs zu tanzen. Wir sehen den Tanz nicht, wir hören nur das Musikstück und können beobachten, wie das etwa siebenjährige Mädchen zirka zwei Minuten lang (gefühlte Zeit) einen Punkt fixiert, den wir für das tanzende Kindermädchen halten können, auch wenn er sich offenbar kaum bewegt und auch keinerlei Reaktionen im Gesicht des Mädchen zu bewirken imstande scheint. Die Frage ist nicht, ob oder wie die Junge Frau tanzt, sondern was sich die Regisseurin damit beweisen will, wenn sie so ein in die Länge gezogenes Kuleschow-Experiment mit ihren Zuschauern durchexerziert.
In diesem Film tauchen Menschen auf, verschwinden wieder, und andere tauchen dafür auf. Manchmal kann man die Zusammenhänge leicht rekonstruieren, manchmal gar nicht. Doch das Problem ist, daß man nicht einmal in die Hauptfiguren des Films irgendwelche Emotionen investiert, denn irgendwann erscheinen sie uns alle wie Laborratten, Versuchskaninchen oder Konstruktionen auf einem Blatt Papier, die später einfach inszeniert wurden. Es gibt in diesem Film keine Gefühlsausbrüche, und bei mancher Autofahrt hofft man inständig, daß es einen Unfall gibt, damit überhaupt mal was passiert. Eine solche Atmosphäre zu schaffen, ist schon ein Erfolg für die junge Regisseurin, doch leider kann sie die Atmosphäre nicht halten, der Film fällt irgendwann auseinander. Und wenn man dann auch noch in einem Interview einen Satz wie "Ein beherrschter Mensch ist einfach schöner" lesen muß, dann hat Frau Schanelec zumindest bei mir ihren Kredit verspielt und ich schaue lieber wieder einen Film, in dem es auch um Gefühle geht, und nicht nur um gutaussehende Designermenschen, die ihre Sätze aufsagen.