Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




November 2001
Thomas Vorwerk
für satt.org

Der schöne Tag
D 2001

Thomas Arslan: Der schöne Tag

Buch
und Regie:
Thomas Arslan

Kamera:
Michael Wiesweg

Schnitt:
Bettina Blickwede

Darsteller:
Bilge Bingül (Diego), Florian Stetter (Jan), Selda Kaya (Leyla), Hafize Üner (Mutter), Hanns Zischler (Regisseur) satt.org-Partner:
www.jump-cut.de



Der schöne Tag



Eine der ersten Einstellungen dieses Films zeigt das Plakatmotiv, das schattenhafte Profil des Gesichtes der Hauptfigur Deniz, die sich dann zur anderen Seite dreht und damit bereits die Geschichte des Films vorwegnimmt. Sie verläßt daraufhin nicht nur die Wohnung ihres Freundes, die Veränderungen in ihrem Leben, die die 24 Stunden, währendderer wir sie begleiten, für sie bereithalten, machen das Handlungsgerüst des Filmes aus. Sie arbeitet in einem Synchronstudio, wäscht Wäsche bei ihrer Mutter, hat ein Schauspiel-Casting, trifft sich mit ihrer Schwester und lernt einen jungen Mann aus ihrer Nachbarschaft kennen.

Thomas Arslan: Der schöne TagDabei irrt sie per BVG quer durch Berlin, und die "Topographie der Stadt" wurde ziemlich gut in das Drehbuch eingearbeitet (wenn man auch Parallelen zu "Emil und die Detektive" erkennen kann, was die eingeschränkten Dreherlaubnisse am Alexanderplatz angeht, die auch hier den Realismus behindern), und auch die Interaktion mit den Nebenfiguren ist gut beobachtet und subtil in Szene gesetzt. Deniz scheint durchaus charakterliche Fehler aufzuweisen, die sich im Zusammenspiel mit ihrer Umwelt zeigen, aber bei der Annäherung an die Zufallsbekanntschaft aus der U-Bahn weiß sie ihre dunklen Seiten auch zu verstecken und die Körpersprache der Darsteller ist sehr viel überzeugender als ihr Auftritt im Anschluß an den Film.

Bei der anschließenden Diskussion gelang es mir auch, mich bereits mit meiner ersten Frage beim Regisseur Arslan unbeliebt zu machen, erkundigte ich mich doch ganz naiv, ob die "Vorlesung am Schluß bewußt humoristisch angelegt war". Zur Erklärung: Deniz trifft kurz vor Filmende recht unvermittelt auf eine Universitätsdozentin, die über die kleinen Alltäglichkeiten des Lebens bereitwillig in einer Passage Auskunft gibt, die mich an verstaubte Hörsäle erinnerte und für viel unfreiwillige Komik sorgte. Was im Kino den unerreichten Kicherhöhepunkt ausmachte, hatte durchaus seine dramaturgische Funktion im Skript, war aber derart unglaubwürdig der Geschichte zum Schluß drangeheftet, daß der Gesamteindruck des Filmes sehr litt. Veronika Rall oder Tom Tykwer sehen das wahrscheinlich anders, erkennen darin die persönliche Handschrift des Regisseurs und loben ihn für seine französischen Einflüße, wo ich mich bei der Szene im Synchronstudio nur fragte, warum man einen fünf Jahre alten Rohmer-Film heutzutage erneut eindeutschen muß. Die Referenz an die frankophonen Meister, das Café als Lebensraum, das Kino der Blicke, weiß ich auch zu schätzen, aber den Parallelismus zu "Conte d'été"fand ich dann doch zu aufgesetzt, weil der Regisseur sich meiner Ansicht nach noch nicht verdient hat, mit den großen Franzosen wie Godard in einem Atemzug genannt zu werden. Ähnlich wie bei Schanelecs "Mein langsames Leben" sehe ich viele gute Ansätze, die Optimismus für das deutsche Kino aufkommen lassen, doch beispielsweise eine der letzten Einstellungen des Films beweist mir auch, daß bei "Der schöne Tag" noch vieles hätte besser sein können. Deniz sitzt am Schluß wieder allein in einer U-Bahn und schaut dabei den Betrachter an, was bei mir den Eindruck entstehen ließ, sie fixiere bereits wieder einen gutaussehenden jungen Mann auf der anderen Seite der Bank. An dieser Stelle hätte ich bereits beim ersten Sehen des Films einen starken Schluß eingebaut, doch Arslan zeigt den Kerl im Gegenschnitt, bevor der Film abbricht, und beweist dadurch, daß die Mentalität des Regisseurs eben doch noch der platten Deutschheit verpflichtet ist. Wer Filme wie "Der schöne Tag" dreht, muß seinem Publikum auch ein wenig Phantasie abverlangen, doch nach meiner ersten Frage hätte der Regisseur wahrscheinlich auch nicht vermutet, daß ich den Titel des zitierten Rohmer-Films meinem Sitznachbarn auch schon weit vor den Abspanntiteln zuraunte.