Das Reich und die Herrlichkeit
The Claim
Zu meinem Geburtstag bekam ich ein Buch von meinem Namensvetter Thomas Hardy geschenkt, das passenderweise auch noch "A Pair of Blue Eyes" hieß. Damals, vor einem Monat, erfuhr ich auch in einer Vorlesung vom Inhalt von einem anderen Buch des Autoren, "The Mayor of Casterbridge", das ich mir dann auch zulegte, aber nicht mehr vor Ansicht des Films durchlesen konnte.
Michael Winterbottom ist mittlerweile schon Thomas Hardy-Experte, verfilmte er doch auch schon "Jude the Obscure" als "Jude" (dt. Titel: "Herzen in Aufruhr"). Und auch Nastassja Kinski spielte ja immerhin schon "Tess of the d'Urbervilles" in der Verfilmung von Roman Polanski, da kann selbst die Verlegung der Geschichte ins winterliche Sierra Nevada nur verdeutlichen, das Hardys Geschichte auch in einem Spätwestern funktioniert.
Trotz hoher dramaturgischer Dichte kommt der Film eher bedächtlich daher, und es liegt nicht nur am winterlichen Kanada (wo größtenteils gedreht wurde) und Sarah Polley, daß man sich neben Michael Ciminos "Heaven's Gate" vor allem an Atom Egoyans "
The Sweet Hereafter" erinnert fühlt. Das mag natürlich auch daran liegen, daß ich jenen Film nur zwei Wochen zuvor mal wieder im Kino sah, aber die Stellen, wo Milla Jovovichs Songeinlagen oder eine Erzählung von Sarah Polley völlig andere Bilder unterlegten, erinnerte mich schon immens an die Handlungsstruktur Egoyans. Was natürlich auch nur ein immenses Kompliment an den Film ist.
Abgesehen von einigen Anschlußfehlern und ähnlich unwichtigen Regiefehlern kann ich eigentlich nur an Wes Bentley (bekannt aus "American Beauty") Anstoß nehmen, der als einziger Darsteller die ansonsten perfekte Illusion und Atmosphäre störte. Auf der Habenseite des Films gibt es hingegen so viel zu verbuchen, daß man kaum weiß, wo man anfangen soll: Die anschaulich rekonstruierte Goldgräberzeit mit ihren schnell errichteten Städten, die sich vor allem über Saloons und Bordelle definierten; die zu Herzen gehenden Darstellungen von Peter Mullen und Nastassja Kinski; Milla Jovovich, die endlich mal wieder singen darf; und manche Szenen, über die man im Voraus nicht zu viel erzählen sollte, die aber durchaus an so unterschiedliche Filme wie "Fitzcarraldo" und "Mars Attacks" erinnern können.
Und vor allem die schiere Bilderpracht, die aber dennoch nie zum "nice shot syndrome" entgleist, sondern stets im Dienste der Geschichte ist. Nach diesem Film will ich das Buch erst recht lesen, und vielleicht noch mehrere von Hardy, und das sagt eigentlich schon alles.