Geliebter Spinner Billy Liar GB 1963
Regie: John Schlesinger
Buch: Willis Hall, Keith Waterhouse
Kamera: Denys N. Coop
Schnitt: Roger Cherrill
Musik: Richard Rodney Bennett
Darsteller: Tom Courtenay, Wilfred Pickles, Mona Washbourne, Ethel Griffies, Finlay Currie, Gwendolyn Watts
u. a.
Weitere Informationen: german.imdb.com
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Der Spinner braucht sein UmfeldBerlinale-Retrospektive:
Billy Liar Dauerregen am Samstagabend - der neue Berlinale-Chef Dieter Kosslick
betonte doch im Programm: "Und dann sind wir das einzige große
Festival, wo es richtig kalt ist. Da es noch Winter ist, wollen wir mit
den Filmen des Festivals bei den Berlinern und unseren Gästen die
Stimmung anheizen."
Diesen Satz haben sich die Betreiber des Cinemaxx wohl sehr zu Herzen
genommen. Da es ja keine Platzkarten gibt, sollte sich der Besucher
mindestens 15 Minuten vorher vor dem Kino stauen lassen. Schön, wenn
dann die Heizung vorher auf Winter eingestellt ist wie im Cinemaxx -
Atemlos machen uns solche Momente.
John Schlesingers 1963 gedrehter Film "Billy Liar" ist jedoch süße
Entschädigung für den durch MTV und Kinowerbung à la
Zeitgeistmanie - Hauptsache: schnell und knallbunt - geplagten
Augenmenschen.
Tom Courtenay verkörpert den versponnen Tagträumer William Fischer,
welcher in seiner Welt so sehr der Chef ist, dass er ein ganzes Reich
mit Charme und Anstand regiert. Nicht wie die Welt seiner Eltern,
Chefs, Freunde und Freundinnen, die sich um einen Verlobungsring
streiten oder nur auf den kleinen Vorteil schielen. Die Eltern unseres
William Fischers sind die geborenen Mittelklassespießer. Ein Vater,
der weiß, wo es lang geht und wie man Zucht und Ordnung vermitteln
kann. Eine mildere Mutter, die mit ihm unter einer Decke steckt und
vermutlich noch immer von einem Cowboy als Mann träumt.
Die Kleinstadt verändert sich jedoch. Das England der sechziger Jahre
findet seinen "Wiederaufbau" in dieser Zeit - als bei uns, nach den
Fresswellen, langsam so etwas wie Nachdenken über die Vergangenheit
eingetreten sein soll. William Fischer will nach London gehen und dort
Script-Writer für einen bekannten Comedy-Star werden.
Er setzt also seinen Job aufs Spiel, wagt den Absprung vom Elternhaus
und verlässt auch seine beiden Halbfreundinnen, die in ihm den
Ringspender sehen. Es ist schließlich Liz, gespielt von einer
unschlagbar hübschen und natürlichen Julie Christie ("Der Himmel
kann warten", "Dragonheart", "Afterglow"), die William Fischer
ermutigt, den Weg nach London mit ihr zu gehen.
William kauft sich ein Single-Ticket nach London, allerdings verlässt
er den Zug kurz vor der Abfahrt. So fährt Liz alleine nach London.
William marschiert seine Straße hinauf und hat im Geiste seine Armee
hinter sich. Glücklich wird er sein Zimmer erreichen. Der Spinner
braucht sein Umfeld, um sich seine Träume leisten zu können.
Doch viel wichtiger war seine Entscheidung, sich dieses Ticket zu
kaufen, um sich zu beweisen, dass er es kann, wenn er nur will …
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