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März 2002
Thomas Vorwerk
für satt.org

Mein Stern
Deutschland/Österreich 2001
65 Minuten

Mein Stern

Buch
und Regie:
Valeska Grisebach

Kamera:
Bernhard Keller

Schnitt:
Anja Salomonowitz

Darsteller:
Nicole Gläser (Nicole), Christopher Schöps (Schöps), Sebastian Rinka, Christina Sandke

weitere Infos



Mein Stern


Am selben Tag, an dem ich für ein Referat Zeffirellis "Romeo and Juliet"-Version sehen mußte, schaute ich mir diesen Film ein, und mußte feststellen, daß der Einsatz von jungen Darstellern, den man seinerzeit Zeffirelli als besonders "natürlich" angerechnet hat, in diesem deutsch/österreichischen Film um Klassen, nein, um Welten überzeugender herüberkommt.

Das liegt nicht nur daran, daß man hier nicht versucht, vier Jahrhundert alte Shakespeare-Zeilen so zu rezitieren, als seien sie einem gerade erst eingefallen, es liegt auch daran, daß die Hindernisse, die sich der jungen Liebe in "Mein Stern" in den Weg stellen, die Liebenden selbst sind, so wie es nämlich meistens ist. Nicole und Schöps testen es aus, was es heißt, ein Paar zu sein. Das beginnt mit vorsichtigen Gesprächen und führt über Mutterns Eierlikör und Balgereien auf dem Wohnzimmer-Fußboden direkt ins Jugendzimmer der wegen Nachtschicht sturmfreien Bude.

Während Schöps versucht, supercool zu sein, ist sich Nicole ihrer Sache offenbar nicht besonders sicher. Doch verletzlich sind letztlich beide. Und wenn dann der Verrat in Gestalt der kleinen Schwester alles in Frage stellt, ist das Ende vielleicht auch ein neuer Anfang …

Bei den semidokumentarischen Bildern fragt man sich, inwieweit die eigens für den Film gecasteten Jugendlichen noch spielen oder den Film "leben", und dieser Realismus macht den Film zu einem besonderen Erlebnis. Man erkennt zwar einige Szenen als dem Drehbuch entspringend, aber ähnlich wie bei "Halbe Treppe" und "Das weiße Rauschen" scheinen auch hier die Darsteller inoffiziell am Drehbuch mitgeschrieben zu haben.

Zu den Höhepunkten des Films gehört Schöps’ Vorstellungsgespräch (Selbst, wenn man sowas nie mitmachen mußte, kann man sich ohne Probleme in die Situation hineinversetzen) und Nicoles Tanz (ein Beweis dafür, daß der narrative Film auf Atmosphäre nicht verzichten kann. Zunächst fragt man sich, warum die Kamera solange verharrt, und irgendwann springt der Funke über).

Trotz seiner kurzen Spieldauer ein Film, dessen Besuch sich auf jeden Fall lohnt.