Vanilla Sky
Manchmal ist es viel interessanter, die Erwartungen an einen Film zu beschreiben als den Film selbst. In diesem fall ist das zwar nicht so, aber ich beginne meinen Text trotzdem so.
Ein Handlungsstrang des neuen Tom Cruise-Streifens, den man schon dem Trailer entnehmen kann, ist folgender: Cruise hat hin und wieder Sex mit Cameron Diaz, interessiert sich aber sonst nicht weiter für diese Frau, die völlig vernarrt in ihn ist. Dann erscheint Penélope Cruz auf der Bildfläche und Cruise serviert die gute Cameron entgültig ab.
Moment mal! Cruise soll ja Scientologe sein, vielleicht ist er auch tatsächlich, wie manche behaupten. Und das er seit neuestem in Wirklichkeit mit diesem Latino-Glubschauge liiert ist, ist mir auch bekannt. Aber dafür Cameron Diaz von der Bettkante schubsen? Irgendwo hört der Spaß auch auf …
Man muß es dem Film wirklich hoch anrechnen, daß er das Kunststück vollbracht hat, mir diese Handlung der Hauptfigur, die ich so gar nicht nachvollziehen konnte, und die somit eine Gefahr für die gesamte Rezeption des Films darstellte, durch die Inszenierung schmackhaft zu machen. So ganz kapiert habe ich diesen david bis zum Schluß nicht, aber irgendwann im Verlauf des Films glaubte ich tatsächlich, daß er vielleicht doch richtig gehandelt hat. Auch wenn alles, was aus seinen Handlungen erwuchs, ihm sein Leben versaut hat.
Ich erwartete beim Eintritt in den Kinosaal ein Star-Vehikel mit einem kleinen Twist. Immerhin hatte Regisseur Cameron Crowe mit Cruise auch schon "Jerry Maguire" gedreht, für den ich ja (wahrscheinlich wegen Renée Zellweger) einen "soft spot" habe. Ich dachte mir: "Schaun mer mal" und ließ mich in den Kinosessel sinken.
Und die erste halbe Stunde des Films verlief auch durchaus entsprechend meinen (niedrigen) Erwartungen. Doch dann wurde aus dem Film plötzlich ein Rätselspiel, ein Spiel mit Traum, Wirklichkeit und Illusion, eine intellektuelle Knobelaufgabe, die sich durchaus mit "Mulholland Drive" und "Memento" hätte messen können. Man sitzt da vor der Leinwand und ist die ganze Zeit nur am Kombinieren, wie Tatbestand A sich mit Tatbestand B vereinigen läßt. Und während man das tut, prasseln Tatbestand C, D, E, F, G, H usw. auf einen ein …
Ich war ziemlich begeistert über diesen Mittelteil, doch dann kam der Schluß. Und der Schluß klärte nicht wie bei "Mulholland Drive" kaum etwas auf, er ließ nicht wie bei "Memento" noch unzählige Fragen für viele Wochen voller Diskussionen mit anderen Zuschauern …
Nein, dieser Schluß klärte ALLES auf, er ließ keine Frage offen, jedes Paradoxon löste sich in Luft auf, und damit auch jeder Grund, warum man den Film hätte mögen können. Dieses Filmende hatte zwar einen tollen Satz, den ich hier nicht zitiere, aber ansonsten vernichtete es den Film noch umfassender als die drei Schichten Zuckerguß, unter denen "Pay it forward" begraben wurde oder die angeklebten vier Finales, die aus "A.I." ein Beispiel dafür machten, daß ein Werk unter zu vielen Fußnoten ersticken kann.
Ein echtes Ärgernis, das man nicht mal dadurch retten kann, daß man das Kino rechtzeitig verläßt.