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August 2002
Thomas Vorwerk
für satt.org

Ali
USA 2001

ALI (Filmplakat)

Regie:
Michael Mann

Buch:
Stephen J. Rivele, Christopher Wilkinson, Eric Roth, Michael Mann

Kamera:
Emmanuel Lubezki

Schnitt:
William Goldenberg, Stephen Rivkin, Lynzee Klingman

Music:
Lisa Gerrard, Pieter Bourke

Darsteller:
Will Smith (Muhammed Ali), Jamie Foxx (Drew "Bundini" Brown), Jon Voight (Howard Cosell), Mario Van Peebles (Malcolm X), Ron Silver (Angelo Dundee), Jeffrey Wright (Howard Bingham), Mykelti Williamson (Don King), Jada Pinkett Smith (Sonji), Nona Gaye (Belinda Ali), Giancarlo Esposito (Cassius Clay, Sr.), LeVar Burton (Martin Luther King, Jr.), Ted Levine (Joe Smiley), David Elliott (Sam Cooke)



ALI


Ich war nie ein großer Freund von Michael Mann, muß aber eingestehen, daß er mit "The Insider" und "Red Dragon" immerhin zwei durchaus gelungene Filme gedreht hat. Sein Biopic über Muhammed Ali mit Will Smith in der Titelrolle hat einige überragende Momente, kann aber als Ganzes nicht ganz überzeugen.

Die Gründe dafür zu finden, fällt schwer. Es liegt sicher nicht daran, daß die Biographie des ehemals als Cassius Clay bekannten Boxers keinen Filmstoff abgeben würde, und auch Will Smith darf sich hier erstmals als ernstzunehmender Schauspieler präsentieren. Auch liegt es nicht daran, daß Regisseur Mann dem Genre des Boxerfilms nichts neues mehr bieten kann … Ganz im Gegenteil! Der erste Kampf des Streifens ist eine filmische Tour de force. Mann spielt mit den stilistischen Mitteln, lässt den Zuschauer fast selbst in den Ring steigen, macht ihm mit Hilfe der aus Untersicht gezeigten Deckenlampen fast schwindelig und schafft es dann noch, mithilfe der Kamera, des Schnittes und dem Einsatz von Videomaterial, den Kopf sehr subjektiv erfahrbar zu machen.

Doch all dies reicht Michael Mann nicht, er parallelisiert den Kampf und die Vorbereitung dessen noch mit einem Konzert Sam Cookes, eines Sängers, den Ali später auf dem Gebiet der Musik zu einem gleichberechtigten Meister erklären wird, wie er sich selbst in nicht besonders bescheidener Weise als den "Größten" nicht nur im Boxring erklärt. Doch reicht das schon aus für eine gut viertelstündige Parallelmontage, die dem Film ansonsten so gut wie nichts bringt?

Von solchen Kapriolen, deren Sinn man nicht immer erkennen kann, ist der Film voll, wie er auch überhaupt angefüllt ist mit allen filmischen Spielereien, die überhaupt auf ein wenig Zelluloid zu drängen möglich gewesen ist. Der filmsprachliche Overkill übertüncht die Geschichte des Boxers, man fühlt sich erinnert an die Farbspiele in "Traffic", die Materialvielfalt in "Natural Born Killers", den übervollen Soundtrack von "Casino" oder den Versuch, ein ganzes Jahrzehnt in einige Stunden zu komprimieren wie in Spike Lees "Summer of Sam".

Überhaupt scheint der Film dem Betrachter wiesmachen zu wollen, sein Regisseur sei Afroameriikaner, so leichtfüßig will der Filmemacher daherkommen, nur um über seine eigene Prätensiösität zu stolpern (Nicht, daß Spike Lee dagegen gefeit wäre …). Und dieses Stolpern, daß Ali als die einzige Möglichkeit sieht, wie man von der "Mumie", dem schwarzweißen Abbild altertümlicher Filmkunst, niedergestreckt werden kann, versucht Mann durch seine atemberaubenden filmischen Stilübungen zu überspielen, doch es gelingt ihm nicht. Der Film ist zwar auf der Höhe der Zeit und der filmsprachlichen Ausdrucksmittel, erscheint einem aber wie Frankensteins Monster, versteckt unter allerlei oberflächlicher Schönmalerei. Ali mit Malcolm X

Eine Pistole, die sich unter dem Stoff abzeichnet, ein herausragendes Ensemble von Nebendarstellern, eine politisch engagierte Geschichte, all dies geht unter in Michael Manns Bestreben, aus wirklich jeder Szene etwas Besonderes, vielleicht nie dagewesenes zu machen. Am Ende ist dann auch der Film etwas nie dagewesenes, aber leider nichts besonderes, zumindest nicht als Gesamtwerk. Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht, zwar gibt es die Zeitungsschlagzeilen, die der junge Clay im Farbigen vorbehaltenen Teil des Busses erblickt, und die auf unspektakuläre Weise klarmachen, daß er als Schwarzer in einer weißen Welt lebt, doch wird dieses Thema immer nur am Rande angeschnitten. Martin Luther King sieht man nur für einige Sekunden im Fernsehen und als Zeitungsfoto, Malcolm X wird immerhin im Film umgebracht, auch, wenn nicht wirklich klar wird, warum das so eine Bedeutung für den Boxer hat. Er verliert einige Tränen, und spätestens an dieser Stelle ist sogar Michael Mann mal mit seinem Latein am Ende und weiß die Gefühle nicht mehr innovativ auszudrücken.

Diese Rezension hat sich ein wenig verrannt, doch ich kann mich zumindest damit retten, daß ich nur versuche klarzumachen, was dem Film fehlt: eine klare Linie, eine Message, etwas Geschlossenheit. Und er ist auch mindestens eine halbe Stunde zu lang. Vielleicht hätte ein Cutter statt deren dreißig (ungefähr so viele kann man im Abspann zählen) aus diesem Film ein weniger spektakuläres Ereignis, aber einen besseren Film gemacht.