Ich war nie ein großer Freund von Michael Mann, muß aber
eingestehen, daß er mit "The Insider" und "Red Dragon" immerhin zwei
durchaus gelungene Filme gedreht hat. Sein Biopic über Muhammed Ali mit
Will Smith in der Titelrolle hat einige überragende Momente, kann aber als
Ganzes nicht ganz überzeugen.
Die Gründe dafür zu finden, fällt schwer. Es liegt sicher nicht
daran, daß die Biographie des ehemals als Cassius Clay bekannten Boxers
keinen Filmstoff abgeben würde, und auch Will Smith darf sich hier
erstmals als ernstzunehmender Schauspieler präsentieren. Auch liegt es
nicht daran, daß Regisseur Mann dem Genre des Boxerfilms nichts neues mehr
bieten kann … Ganz im Gegenteil! Der erste Kampf des Streifens ist eine
filmische Tour de force. Mann spielt mit den stilistischen Mitteln, lässt
den Zuschauer fast selbst in den Ring steigen, macht ihm mit Hilfe der aus
Untersicht gezeigten Deckenlampen fast schwindelig und schafft es dann
noch, mithilfe der Kamera, des Schnittes und dem Einsatz von
Videomaterial, den Kopf sehr subjektiv erfahrbar zu machen.
Doch all dies reicht Michael Mann nicht, er parallelisiert den
Kampf und die Vorbereitung dessen noch mit einem Konzert Sam Cookes, eines
Sängers, den Ali später auf dem Gebiet der Musik zu einem
gleichberechtigten Meister erklären wird, wie er sich selbst in nicht
besonders bescheidener Weise als den "Größten" nicht nur im Boxring
erklärt. Doch reicht das schon aus für eine gut viertelstündige
Parallelmontage, die dem Film ansonsten so gut wie nichts bringt?
Von solchen Kapriolen, deren Sinn man nicht immer erkennen kann,
ist der Film voll, wie er auch überhaupt angefüllt ist mit allen
filmischen Spielereien, die überhaupt auf ein wenig Zelluloid zu drängen
möglich gewesen ist. Der filmsprachliche Overkill übertüncht die
Geschichte des Boxers, man fühlt sich erinnert an die Farbspiele in
"Traffic", die Materialvielfalt in "Natural Born Killers", den übervollen
Soundtrack von "Casino" oder den Versuch, ein ganzes Jahrzehnt in einige
Stunden zu komprimieren wie in Spike Lees "Summer of Sam".
Überhaupt scheint der Film dem Betrachter wiesmachen zu wollen,
sein Regisseur sei Afroameriikaner, so leichtfüßig will der Filmemacher
daherkommen, nur um über seine eigene Prätensiösität zu stolpern (Nicht,
daß Spike Lee dagegen gefeit wäre …). Und dieses Stolpern, daß Ali als
die einzige Möglichkeit sieht, wie man von der "Mumie", dem schwarzweißen
Abbild altertümlicher Filmkunst, niedergestreckt werden kann, versucht
Mann durch seine atemberaubenden filmischen Stilübungen zu überspielen,
doch es gelingt ihm nicht. Der Film ist zwar auf der Höhe der Zeit und der
filmsprachlichen Ausdrucksmittel, erscheint einem aber wie Frankensteins
Monster, versteckt unter allerlei oberflächlicher Schönmalerei.
Eine Pistole, die sich unter dem Stoff abzeichnet, ein
herausragendes Ensemble von Nebendarstellern, eine politisch engagierte
Geschichte, all dies geht unter in Michael Manns Bestreben, aus wirklich
jeder Szene etwas Besonderes, vielleicht nie dagewesenes zu machen. Am
Ende ist dann auch der Film etwas nie dagewesenes, aber leider nichts
besonderes, zumindest nicht als Gesamtwerk. Man sieht den Wald vor lauter
Bäumen nicht, zwar gibt es die Zeitungsschlagzeilen, die der junge Clay im
Farbigen vorbehaltenen Teil des Busses erblickt, und die auf
unspektakuläre Weise klarmachen, daß er als Schwarzer in einer weißen Welt
lebt, doch wird dieses Thema immer nur am Rande angeschnitten. Martin
Luther King sieht man nur für einige Sekunden im Fernsehen und als
Zeitungsfoto, Malcolm X wird immerhin im Film umgebracht, auch, wenn nicht
wirklich klar wird, warum das so eine Bedeutung für den Boxer hat. Er
verliert einige Tränen, und spätestens an dieser Stelle ist sogar Michael
Mann mal mit seinem Latein am Ende und weiß die Gefühle nicht mehr
innovativ auszudrücken.
Diese Rezension hat sich ein wenig verrannt, doch ich kann mich
zumindest damit retten, daß ich nur versuche klarzumachen, was dem Film
fehlt: eine klare Linie, eine Message, etwas Geschlossenheit. Und er ist
auch mindestens eine halbe Stunde zu lang. Vielleicht hätte ein Cutter
statt deren dreißig (ungefähr so viele kann man im Abspann zählen) aus
diesem Film ein weniger spektakuläres Ereignis, aber einen besseren Film
gemacht.