Das Tauchen nach der „Loco", einer bestimmten Muschelart, die in Japan eine teuer bezahlte Delikatesse ist, ist in Chile bis auf wenige Tage im Jahr verboten. Canuto überredet seinen alten Freund Jorge, den Tauchern im gemeinsamen Heimatdorf ein Angebot zu machen, das sie nicht ausschlagen können: 2000 Pesos pro Einheit, etwa das doppelte des üblichen Preises. Obwohl Canuto auch den Käufer und das Geld mitbringt, bleiben die üblichen Zweifel, denn mit legalen Geschäften hat er sich eigentlich noch nie abgegeben. Doch als er dann sogar noch das Geld beim Dorfpfarrer deponiert, scheinen übertriebene Vorsichtsmaßnahmen nicht mehr angemessen.
Im Dorf findet Canuto auch seine alte Liebschaft Sonia, die inzwischen aus der Dorfschänke eine gut laufende Hauptattraktion im langweiligen Nest gemacht hat. Und Jorge verliebt sich in die junge Kellnerin Nelly.
Das „Loco-Fieber“ bringt auch fahrende Händler und einen Bus voller Prostituierte ins Dorf, das plötzlich vorhandene Geld soll den Dörflern möglichst schnell wieder abgenommen werden. Und auch Sonias Kneipe hat Hochkonjunktur.
Der atmosphärisch von Unterwasser- und Flugaufnahmen getragene Film entwickelt unmerklich eine Handlungsdynamik, die sich zu einem bemerkenswerten Höhepunkt hochschaukelt. Nicht weniger als drei Handlungsstränge werden parallel zu einem zunächst tragische erscheinenden Climax geführt, doch dann verharrt der Film für einige Momente auf dieser fast unerträglichen Spannung, und ein Regenbogen bringt wieder Hoffnung in die Ereignisse, und die drei Handlungssträngen (die in der einleitenden Inhaltsbeschreibung allenfalls angedeutet wurden) entwickeln sich sehr unterschiedlich. Während es einmal Erleichterung für den Betrachter gibt, spitzt sich die emotional belastendste Episode tragisch zu und ein anderer Handlungsstrang wird zwischenzeitig schwer nachvollziehbar.
Wenn später die weiblichen Dorfbewohner eine Steinigung der Prostituierten initieren wollen, kommt für kurze Zeit die fragile Struktur des Drehbuchs ins Straucheln, doch dann wird die Absurdität wieder von der Realität eingeholt, und ausgerechnet Canuto, die bis dahin undurchschaubarste Figur wird zu einem tragischen Helden, der in der wunderschönen Schlußeinstellung des Films für seine Sünden büßen muß.
Wie so oft scheitert die angemessene Anerkennung daran, daß ich nicht alle Elemente des mitreißenden Drehbuchs hier bereits breit auswalzen will. „La fiebre del loco“ ist zwar offensichtlich keine Hollywood-, sondern eine chilenische Produktion, doch trotz der etwa an Kustorica erinnernden Dorfatmosphäre und den unscheinbar erscheinenden Darstellern werden die filmischen Mittel gezielt eingesetzt, von einer Low-Budget-Produktion kann nicht die Rede sein. Und insbesondere die Umsetzung des sehr gut konstruierten Drehbuchs kann manchem US-amerikanischen Spannungsfilm noch viel beibringen.