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September 2002
Thomas Vorwerk
für satt.org

Va savoir
F/I/D 2001

va savoir

Regie:
Jacques Rivette

Buch:
Christine Laurent, Pascal Bonitzer, Jacques Rivette

Kamera:
William Lubtschansky

Schnitt:
Nicole Lubtschansky

Darsteller:
Jeanne Balibar (Camille), Marianne Basler (Sonia), Hélène de Fougerolles (Do) Sergio Castellitto (Ugo), Jacques Bonaffé (Pierre), Bruno Todeschino (Arthur)


Va savoir


Um Spaß an diesem Film zu haben, muß man nicht wissen, was der Titel bedeutet, der Vollständigkeit halber aber hier das Rimbaud-Zitat:

“L’amour est à reinventer, va savoir”
(Die Liebe muß wiedererfunden werden, das finde heraus)
[Übersetzung von Karlheinz Oplustil aus dem epd-Film abgeschrieben]
.

Herausfinden muß man in diesem Film einiges, den Jacques Rivette ist ja dafür bekannt, sich beim Erzählen Zeit zu lassen. So beginnt der Film erstmal auf Italienisch, ähnlich wie Lubitschs “Serenade zu dritt” auf Französisch begann. Nach und nach erfährt man, daß die französische Darstellerin in einem italienischen Stück Paris mal verlassen hatte, um einem Mann zu entkommen, den sie nun natürlich bei einem Gastspiel in Paris wiedertrifft. Der Philosophieprofessor Pierre, der an seiner Arbeit “Heidegger, der Eifersüchtige” arbeitet, bekommt es im kolossalen Showdown dann natürlich mit dem italienischen Regisseur des Stücks zu tun.

Doch bis dahin dauert es noch ziemlich lange, und ich muß sagen, ich wurde in meinem ersten, nur schlappe 154 Minuten langen Rivette-Film allezeit köstlich unterhalten. Dadurch, daß man die Beziehungen der Figuren erst ausloten muß, ehe man langsam mehr Informationen erhält, bekommt eine Geschichte, die im Nachhinein relativ geradlinig erscheinig, eine Rätselhaftigkeit und Spannung, die dann auch aufgelöst wird.

Doch die schönste Entwicklung des Films ist jene der Atmosphäre. Was wie ein intellektuelles Vexierspiel beginnt, wird zu einer Beziehungskomödie, die sich schließlich dort entlädt, wo alles begann: auf einer Theaterbühne. Und spätestens an diesem Zeitpunkt wird auch klar, daß das mittlerweile in diversen fragmentarischen Auszügen immer wieder vorgeführte Theaterstück (das man nicht kennen muß, um den Film zu verstehen, dessen Kenntnis aber wahrscheinlich dem ganzen noch mehr Tiefe verleiht, wie in Lubitschs “Sein oder Nichtsein”) nicht theatralischer erscheint als die Boulevard-Komödie, in die sich dieser Film ganz unversehens und schleichend verwandelt hat. Und während die sicher nicht für zweieinhalb Stunden Kinogenuß ausgereicht hätte, ist diese Offenbarung am Schlu genau das I-Tüpfelchen, das aus diesem Film ein kleines Juwel macht.

Und über die mannigfaltigen Nebenhandlungen wie die Suche nach einem verschollenen Goldini-Stück, die hilfreiche Bibliotheksbekanntschaft und ihren zwielichtigen Halbbruder oder ein Schmuckstück mit einer aufregenden Vergangenheit habe ich noch nicht einmal ansatzweise zu schwärmen begonnen …