Der erste Auftritt Jürgen Vogels in diesem Film erzielte Gelächter ob der ungewöhnlichen Beintracht, mit der er plötzlich mitten in einem norddeutschen Niemandsland auftaucht. Doch nach dieser Halbtotale sieht man als nächstes aus der Nähe, wie der von Vogel dargestellte Jesko seine blutende Nase mit einem Taschentuch abtupft.
Jesko hat Leukämie, doch dies ist ebenso wie der psychotische und verwahrloste Zustand seiner Mutter Käthe, die seine letzte Chance auf einen möglichen Knochenmarkspender darstellt, kein Grund, den Humor, der auch in der Romanvorlage des Regisseurs Chris Kraus eine große Rolle spielt, in den Hintergrund zu drängen.
Die zusammengetrommelte Familie, die zunächst aus Jesko, seinem älteren Bruder Ansgar, dessen Verlobter Zitrone, sowie dem wohlhabenden Vater Gebhardt und seiner zweiten Frau Stepi gehört, giftet sich zumeist an, und neben der als peinlich angesehen Mutter passt auch der Rockträger Jesko nicht ins Bild.
Das Verhältnis zwischen Jesko und seiner Mutter trägt den Film, doch auch die anderen Familienverhältnisse, die mitunter in ihrer herzlichen Aufrichtigkeit als Thomas Vinterbergs „Festen“ erinnern, bestimmen die tragikomödische Atmosphäre des Films.
Neben den durchweg überzeugenden Leistungen der Darsteller ist insbesondere die Photographie des Films zu loben. Zunächst bestimmen der norddeutsche Regen und Brauntöne das Bild, bei der ersten Rückblende in Jeskos Kindheit kommen dann ein intensives Blau und Grün dazu, die fortan immer mal wieder auftauchen, doch insgesamt bleiben die Einstellungen oft monochromatisch, nur von einem Farbton getragen, was erst von den Schlußszenen aus dramaturgischen Gründen durchbrochen wird. Auch arbeitet die außerordentliche Kamerafrau Judith Kaufmann mit vielen Unschärfen und weiß manchmal ganz unterbewußt die Stimmung einer Szene durch ihre Arbeit zu untermauern. Wenn etwa Jesko und Zitrone auf der kargen Sommerterrasse eines Lokals versuchen, ihre Einstellung zueinander neu zu überdenken, wird Zitrone nicht nur erstmals mit allen Mitteln der (Kamera-)Kunst in eine überirdisch schöne Erscheinung verwandelt, in die man sich einfach verlieben muß, auch wird der vorsichtige Neuanfang durch ein fast unmerkliches Zittern der Kamera direkt auf den Betrachter übertragen. Und durch nahezu geniale Zwischenschnitte wird die Romantik dieser Bilder gleich wieder zurückgeschraubt.
Doch bis es dazu kommt, besteht die Kunst des Films darin, daß er überzeugend Jeskos Einstellung verdeutlicht, bei dem weder die eigene tödliche Krankheit, noch der desolate Zustand seiner Mutter so aufs Gemüt schlagen, wie ein vergleichsweise harmloses Schicksal in seinem Umfeld. Plötzlich geht es nicht mehr darum, das blanke Leben zu retten, ohne dabei das Gesicht zu verlieren, wenn seine Mutter in wachen Momenten ihre Macht sehr wohl auszunutzen weiß, sondern Jesko muß erkennen, daß sein Bruder, der immer sein Vorbild war, nicht uneingeschränkt das Beste für alle Beteiligten will, und dabei voll nach seinem Vater schlägt ("Ich bin stolz darauf, daß Du endlich heiraten willst"). in so einer Familie den Lebenswillen aufrechtzuerhalten, fällt schwer, aber der „Scherbentanz“ hält eine Menge Überraschungen bereit, die den Spannungsbogen dieser Low Budget-Produktion bis zuletzt aufrecht erhalten, und selbst das etwas übertrieben wirkende Ende trivialisiert nicht das Geschehen, sondern unterstützt die Dramaturgie und versöhnt den Zuschauer und einige der Figuren in einer tristen Weise, die bemerkenswert ist.