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November 2002
Stephan George
für satt.org

Roter Drache
(Red Dragon)
USA 2002

Roter Drache (Red Dragon)

Regie:
Brett Ratner

Buch:
Ted Tally

Lit. Vorlage:
Thomas Harris

Kamera:
Dante Spinotti

Schnitt:
Mark Helfrich

Musik:
Danny Elfman

Darsteller:
Anthony Hopkins (Hannibal Lecter), Edward Norton (Will Graham), Ralph Fiennes (Francis 'Tooth Fairy/Red Dragon' Dolarhyde), Harvey Keitel (Jack Crawford), Emily Watson (Reba McClane), Mary-Louise Parker (Molly Graham), Philip Seymour Hoffman (Freddy Lounds), Anthony Heald (Dr. Frederick Chilton)


Roter Drache

Überraschend überzeugende Rückkehr des sympathischen Teufels






Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Roter Drache (Red Dragon)



Es gibt (mindestens) drei gute Gründe, warum man dem "ersten Kapitel" der Hannibal Lecter Trilogie, dem Film "Roter Drache" nach dem Roman von Thomas Harris skeptisch gegenüber sein kann:
  1. "Roter Drache" wurde bereits 1986 verfilmt, und zwar von Michael Mann (Heat, Ali, The Insider) unter dem Titel "Manhunter" (der seltsamerweise auch manchmal als "Blutmond" oder "Roter Drache" im Fernsehen läuft). Und diese Verfilmung gilt als sehr gelungen.
  2. Der Regisseur der Neuverfilmung ist Brett Ratner, zu seinen Filmen zählen die beiden (bzw. demnächst drei) "Rush Hour"-Teile sowie "Family Man" und "Money Talks" - und das sind nicht wirklich Referenzen für einen guten Film.
  3. "Hannibal", der letzte verfilmte Teil der Trilogie, war ein absolutes Desaster - tolle Bilder (Regie: Ridley Scott), sehr dünne Story und vor allem ein miserabel schauspielender Anthony Hopkins, der vielleicht einen interessanten Psychophaten gespielt hat, aber nicht den Dr. Lecter, den wir aus dem "Schweigen der Lämmer" kennen.
Doch genug der Unkenrufe, alle Skepsis ist unangebracht, "Roter Drache" ist ein sehr, sehr guter Film.

1980 schaffte es Ermittler Will Graham (Edward Norton), Dr. Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) zu überführen - wobei er beinah mit seinem Leben hätte bezahlen müssen. Danach quittierte er den Dienst und lebt seitdem mit seiner Familie zurückgezogen - bis seine ehemaliger Chef Jack Crawford (Harvey Keitel) auftaucht, und ihn zur Mitarbeit an einem schwierigen Fall bittet: Ein die "Zahnfee"(Ralph Fiennes) genannter Mörder hat bereits zwei Familien auf dem Gewissen und wird vermutlich beim nächsten Vollmond wieder zuschlagen - und das ist schon in drei Wochen. Graham sagt zu, doch der Fall ist schwieriger als angenommen. Er braucht Hilfe - von einem alten Freund …

Der Film beginnt mit einem wunderschönen Konzert, bei dem Dr. Lecter scheinbar friedlich im Publikum sitzt - um danach seinen Gästen ein ganz besonderes Mahl zu liefern.

Hopkins hat sich die Kritik an "Hannibal" offenbar zu Herzen genommen und spielt wieder so, wie man ihn aus dem Schweigen kennt - ruhig, lauernd, ohne eine Bewegung der Augenlieder. Natürlich hat man die Rolle von Lecter ausgebaut (im Buch taucht er nur drei oder viermal auf), was dem Film aber sehr gut tut, denn nun lauert ständig die Gefahr durch Lecter.

Auch wenn viele meinen mögen, die Haupthandlung des Filmes sei die Aufklärung des Mordes und Lecter nur schmückendes Beiwerk, so muß ich dem widersprechen: Genau genommen geht es nur um Graham und Lecter und ihr Verhältnis. Lecter sinnt auf Rache, und macht sich die Tatsache, daß Graham seine Hilfe braucht, zum grausamen Instrument: Er hetzt die "Zahnfee" auf Grahams Familie, zwar erfolglos, doch Graham kehrt am Ende der Polizei wieder den Rücken zu (vermutlich endgültig).

Auch schon die dynamische Titelsequenz weiß zu begeistern: Anhand von unzähligen Zeitungsausschnitten wird man über die Vorgänge seit der Verhaftung Lecters informiert. Eine nicht ganz neue Idee, Kenneth Branagh benutzte sie auch in "Schatten der Vergangenheit", doch hier ist sie weitaus besser gemacht.

Parallel zur Untersuchung von Graham und Crawford sieht man die ganze Story aus der Sicht des Mörders. Hier überrascht mich Ralph Fiennes sehr, bisher hatte ich ihm (offenbar zu Unrecht) wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Er spielt den verrückten Killer - dem "Roten Drachen" - sehr intensiv, besonders die Sequenz, in der er versucht , nicht zu morden, ist sehr gut gespielt.

Um den Film richtig zu würdigen, muß ein Vergleich mit dem "alten" Film und dem Buch her: "Roter Drache" ist nahezu eine 1:1 Umsetzung des Buches - "Manhunter" ist hingegen stark reduziert. Darin liegt auch der Vorteil der Neuverfilmung: Die psychologische Tiefe, die das Buch hat, wurde konsequent umgesetzt - "Manhunter" hingegen war doch eher auf die Kriminalhandlung reduziert. Vor allem der Showdown entspricht dem Buch, in "Manhunter" war er eher simpel gestaltet. (Ganz ehrlich, nach dem Anlesen des Buches und dem Kinobesuch halte ich "Manhunter" nun eher für eine mißglückte Umsetzung des Buches).

Der Film hat eindeutig den "Geist" von Jonathan Demmes "Das Schweigen der Lämmer" - vermutlich hauptsächlich daher, daß in beiden Fällen Ted Tally das Drehbuch geschrieben hat (und für "Hannibal" nicht). Beide Filme sind kongeniale Umsetzungen der Bücher (wobei "Hannibal" natürlich auch eine miserable Vorlage ist).

Im ganzen Film gibt es Hommagen an Demmes Meisterwerk: Seien es nur die Schriften (die den Ort der Handlung angeben, z.B. "FBI Hauptquartier, Washington DC"), die genau so gestaltet sind (weiße, unterstrichene Schrift); die Szene, in der Graham zu Lecters Zelle geht, ist sogar identisch mit der im "Schweigen", wenn Clarice auf die Zelle zuschreitet (subjektive Kamera, die sich dem Stuhl vor Lecters Zelle nähert); im Büro Lecters (vor der Verhaftung) finden sich aufgespießte Käfer (die später im "Schweigen" eine Rolle spielen werden). Auch sind die Bilder in Lecters Zelle die gleichen (soweit ich das erkennen konnte).

Auch die Tatsache, daß neben Hopkins noch zwei Darsteller in beiden Filmen die gleiche Rollen spielen, nämlich Anthony Heald als Dr. Chilton (Gefängnisdirektor) und Frankie Faison als Barney (Gefängniswächter, eine Minirolle) verstärken natürlich das Gefühl, etwas vertrautes zu sehen.

Schade, daß nicht wieder Scott Glenn die Rolle des Jack Crawford übernommen hat, ich halte ihn für einen weitaus besseren Schauspieler als den langweilige Harvey Keitel.

Trotz meiner Euphorie gibt es doch zwei Punkte, die ich bemängeln muß: Die Musik von Danny Elfmann (Tim Burtons Haus- und Hofkomponist) ist vor allem in der ersten Stunde zu effektheischerisch, das war die Musik von Howard Shore damals nicht. Danny Elfmann ist mit Sicherheit der ungeeigenteste Komponist, dem man sich hätte aussuchen können, da hat die Arbeit mit Tim Burton doch deutliche, negative Spuren hinterlassen.

Auch mit der Wahl des Hauptdarstellers Edward Norton bin ich nicht völlig glücklich: Sicherlich spielt der zweifach Oscar-nominierte gut, doch an manchen Stellen finde ich, daß "Manhunter" William Petersen (momentan populär als Hauptdarsteller der Serie "C.S.I.") einfach besser ist, vor allem wenn es darum geht, die innere Verzweiflung zu zeigen. Doch wenn Norton "gegen" Hopkins spielt, verblaßt Petersen wieder. Allerdings sind solche Beobachtungen natürlich stark subjektiv. Allerdings muß man auch zugegeben, daß Norton mit seinen blondierten Haaren doch irgendwie seltsam aussieht, warum man das gemacht hat, ist mir völlig schleierhaft.

Am Ende des Filmes wird noch galant zum "Schweigen der Lämmer" übergeleitet: Lecter sitzt in seiner Zelle, Dr. Chilton meint "Da ist eine junge Frau, die sie sprechen möchte. Ich werde sagen, daß sie kein Interesse haben." Daraufhin grinst Lecter diabolisch, offenbar hat er Vergnügen am Zugrunde richten von Menschen gefunden: "Wie heißt sie denn?" Und Abblende.

Auch wenn dieser Film keine so schönen Zitate beinhaltet wie "Bereit, wenn sie es sind" oder "Die Welt ist interessanter mit ihnen darin" ist er doch einer der besten Filme dieses Jahres. Produziert wird er übrigens von Dino De Laurentiis, der auch "Manhunter" produzierte.

Fazit: Dem Film das Prädikat "genial" zu geben, traue ich mich nicht ganz. Auf jeden Fall ist er ein absolut würdiger Wegbereiter für das "Schweigen der Lämmer", der Geist und Genialität des Romanes eindrucksvoll umsetzt und "Manhunter" um Längen schlägt.

(Ach ja: Für Fehlersuchende gibt es auch etwas, an einer Stelle kann man
nämlich kurz ein Mikro über Edward Nortons Kopf baumeln sehen.)