Wollten Sie schon einmal herzhaft über einen Volkspolizisten lachen? Oder über die seltsame Werbeästhetik des Hering-Bratens? Sandmännchen und Pittiplatsch zusehen, wie sie Cowboys vom Saloonhocker prügeln? Ja? Zu DDRZeiten nicht dazu gekommen oder auf der falschen Seite gelebt? Dann nutzen Sie jetzt Ihre Chance! Gehen Sie ins Filmkunsthaus Babylon und sehen Sie sich „Nelken in Aspik“ an!
Der kultverdächtige DEFA-Film Günter Reischs erinnert in seiner klamaukigen Komposition an die englischen Filmkomiker Monty Python. Zum 30. Geburtstag der DEFA gedreht, durfte „Nelken in Aspik“ in der DDR nur einmal laufen. Dann verschwand er in den Dunkelkammern der Zensur, um nach der Wende noch keine ausreichende Wiederentdeckung zu erfahren. Dieser bedauerliche Irrtum muss schnellstens korrigiert werden.
„Nelken in Aspik“ ist eine Persiflage auf den Ostmenschen der Werbeindustrie und den eitlen Mann an sich. In der Hauptrolle brilliert Armin Mueller-Stahl als schneidezahnloser Werbezeichner. Diese, eine seiner letzten Rollen im DDR-Filmgeschäft, spielt Mueller-Stahl wie einen Abgesang und eine Abrechnung zugleich. 1976 wurde Wolf Biermann ausgebürgert, was den bekannten Exodus ostdeutscher Künstler nach sich zog. Auch Armin Mueller-Stahl unterschrieb die solidarisierende Petition, was einer freiwilligen Berufsaufgabe gleichkam. „Nelken in Aspik“ mit Eva Maria Hagen, Wilfried Glatzeder und Armin Mueller-Stahl scheint eine spielerische Verabredung auf Auszug in die weite Welt zu sein. Vorher kann man die piefige DDR noch einmal so richtig durch den Kakao ziehen.
Günter Reisch lässt in seinem Film den Vielredner Schmidt bei einem kleinen Explosionsunfall einen Schneidezahn verlieren. Der Werbezeichner und Stadionsprecher Schmidt alias Mueller-Stahl hat nun ein Problem. Bei einem Spiel Karl-Marx-Stadt gegen Dresden, das er am Nachmittag moderieren soll, prustet und zischt Stahl in das Stadionmikrofon. Wilfried Glatzeder als Torwart fühlt sich verhöhnt. Als das Leder durch seine Unachtsamkeit ins Netz geht und aus dem Lautsprecher Sätze wie „weg vom Pielfeld, total unzhähig, der Mann, wasch für eine Blamasche, wo hat er denn scheine Augen …“ tönen, reicht es dem Torwart. Er will Schmidt erwürgen. Kriegt ihn natürlich nicht. Aber als er in seinem Hauptberuf als Zahnarzt einige Stunden später, die Fußballsocken unter dem weißen Kittel tragend, einem Patienten einen Stiftzahn einsetzen soll, - hat er Schmidt in der Hand. Wenig später fehlen Schmidt beide Schneidezähne und er verstummt. Lässt sich einen Oberlippenbart stehen und spricht gar nicht mehr. Das hat Konsequenzen, denn sein Schweigen katapultiert ihn auf der Karriereleiter nach oben. Im richtigen Moment nicken oder den Kopf schütteln, das bringt Schmidt letztendlich bis auf den Stuhl des Generaldirektors des Werbekombinates.
In herrlichen Szenen beschreibt Reisch den unfreiwilligen Siegeszug eines pantomimen Schweigers. Schmidt ist verzweifelt. Er will doch nur zeichnen und seine „Schilly“ lieben. Aber ein Kopfnicken im falschen, also richtigen Moment, bringt ihn als DDR-Botschafter der Computerwerbung über den großen Teich. Mit der „ddr air“. In San Francisco lässt der Sprachunfähige dann die Puppen tanzen und verkauft prompt mehrere tausend Sandmann-Figuren an die Amerikaner. Von der skurrilen Flughafen-Baustelle Schönefeld holt ihn seine kleine Crew ab, die sich an den Haschzigaretten aus Schmidts Gepäck belustigt. Großartig, die wilde Fahrt mit dem Werbewartburg! Wie er seinen Job als Direktor wieder loswerden kann, flüstert Schmidt, ein nervöser Nervenklempner. „Alles weiß, machen Sie einfach alles weiß!“ Doch auch die „weiße Woche“, bei der alle Werbeflächen des Landes, die Wandbilder am Haus der Lehrer und alle Spruchbanner geweißt werden, bringen Schmidt zunächst Lob ein. Was dadurch gespart werden kann! Als sich Schmidt schließlich lebensmüde auf Schienen bettet, passiert ein Wunder! Mehr wird nicht verraten, sehen Sie selbst!